Materialität und Fragilität

In Margrethausen gibt es ein paar sehr schöne alte Fachwerkhäuser. Ihr Reiz besteht für mich auch in ihrer Unrenoviertheit. Natürlich muss ein Haus immer mal wieder renoviert werden, um in Stand gehalten zu werden. Aber für mich als Künstlerin ist es spannender, wenn ich sehen kann, wie der Zahn der Zeit an diesen Häusern nagt, die Farbe der alten Holzbalken verwittert, der Putz dazwischen bröckelt und notdürftig geflickt wird, mit verschiedenen Materialien, oder mal auch einfach Löcher bleiben. Dann sieht man die Fragilität, die dieser alten Konstruktion innewohnt, die doch eine so lange Zeit schon überdauert hat und auch noch überdauern kann, so man sie denn stehen lässt und pflegt. Ein faszinierendes Paradoxon.

Dieses fand ich schon bei meinem ersten süddeutschen Stadtmal-Projekt, 2013 in Sindelfingen, in einem beeindruckenden großen Fachwerkhaus, bei dem der bröckelnde Putz mittels Lochbändern notdürftig zwischen den Balken festgehalten wurde. Damals schon setzte ich diesen zerbrechlichen Moment um, indem ich bei meinem auf Hartfaser gemalten Bild das Balkenwerk mittels Cutter und Stechbeitel freilegte und Pappstücke dazwischen fügte. Die Lochbänder machte ich aus der silbrigen Innenseite einer Schokokuss-Packung, die ich in sifi-fachwerkhaus-detailStreifen schnitt und auf die Hartfaser-Balken auftackerte. Die Achtlosigkeit in dem gleichzeitigen Erhalten Wollen: noch ein Paradoxon. Pappe und Tackerklammern, für mich das Symbol für Wegwerfmaterialien und Provisorien schlechthin. So ein Haus rührt mich an in seiner Würde und gleichzeitigen Wehrlosigkeit. Das wollte ich darstellen.

Hier in Margrethausen wende ich diese Arbeitsweise nun wieder an, für das Fachwerkhaus schräg gegenüber vom Juwel. Auf den Fotos kann man den Arbeitsprozess verfolgen, mit dem ich die Faszination, die dies Bauwerk auf mich ausübt, ins Bild umsetze. Nur Malen reicht da eben einfach nicht!

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