Abschied aus Truchtelfingen

Blick-aus-der-Küche

Ich sitze noch am Tisch in der Küche, hab gerade meinen Kaffee getrunken und 2 Scheiben Toast gegessen und schau aus dem Fenster, genieße nochmal den liebgewonnenen Ausblick auf Dächer und Hauswände gegenüber, und ins Wohnzimmer, mein temporäres Atelier, wo noch die Draußenskizzen an der Wand hängen und die Farben auf dem Tisch stehen. Diese Dinge werde ich nun gleich einpacken und ins Auto laden.

Vorhin war ich schon los und habe die Skizze eines blühenden Baumes von gestern früh farblich nochmal überarbeitet. Denn gestern war plötzlich die Sonne über den Berg gekommen und hatte die Farben auf einen Schlag so verändert, dass ich sie nur aus der Erinnerung und nicht richtig wiedergeben konnte.

Nun werde ich also den Talgang erstmal verlassen, der mir in den letzten Monaten, während dreier Arbeitsaufenthalte, so vertraut geworden ist. Die Spazierwege und Geschäfte hier habe ich seit dem Herbst immer wieder aufgesucht, in Albstadt-Laufen, das in einem anderen Tal, auf der anderen Seite von Albstadt-Ebingen liegt, werde ich mir neue Spazierwege und Einkaufsmöglichkeiten erschließen müssen. Mal abgesehen von der Erkundung des neuen Ortsteils in künstlerischer Hinsicht. Trotz der Wehmut des Abschieds, auch von den wunderschönen Räumlichkeiten, die mich 5 Wochen beherbergt haben, freue ich mich auf das Neuland, auf neue Erfahrungen und Eindrücke, neue Kontakte, bin schon jetzt auch aufgeregt deshalb. Was für Ecken werde ich in Laufen entdecken und in Bilder umsetzen?

Künstlerinnen-Gepäck

(Fotos: Niels Carstensen, Ava Smitmans)

Die Geschichte der alten Scheune

Gestern erfuhr ich von Herrn Ermel, dass die alte Scheune, die ich gemalt habe (Blogbeitrag vom 28. April), früher im Pfarrhausgarten stand! Sie wurde erst vor ca. 100 Jahren umgesetzt. Ja, Fachwerkhäuser kann man umsetzen, und man hat sich früher die Mühe gemacht! Sie hieß damals dann „neue Scheuer“. Und da, wo jetzt die weißwandigen Garagen stehen, stand früher das winzige Häuschen eines Nagelschmieds, mit Werkstatt! Das Häuschen hatte keinen eigenen Eingang, man kam durch eine zugehörige alte Scheuer links davon hinein. Das sind natürlich Geschichten, die kann man sich nicht ausdenken.

Mein Aufenthalt in Truchtelfingen neigt sich nun seinem Ende zu. Am Montag breche ich hier meine Zelte ab. Wer mag, kann sich jetzt noch am Samstag, 7. Mai, zwischen 10:00 und 15:00 und am Sonntag, 8. Mai, zwischen 11:00 und 16:00 die Ergebnisse meiner hiesigen Arbeit anschauen: Bei der Kirche 3. Ich freue mich über Ihren Besuch! Ab 22. Mai werde ich mein Quartier in Laufen aufschlagen.

Frühlingslandschaft und alte Maschinen

Albstadt hat für mich 2 große Besonderheiten. Das ist einmal die starke Präsenz der Landschaft, und zum anderen die Textil-Industrie. Beide Besonderheiten wirken ortsteilübergreifend, deshalb widme ich mich ihnen zusätzlich zum Thema Stadt an sich.

Endlich konnte ich einmal wieder draußen skizzieren! Ein warmer Nachmittag, beim Gang in die Wiesen oberhalb Truchtelfingens, ein starker Duft nach Honig, fast schon Sommerduft. Die Wiesen leuchtend grün mit noch leuchtenderen gelben Punkten vom Löwenzahn. Weißblühendes Gebüsch. Die Bäume, deutlich später dran als in Tübingen, mit Tupfen von erstem zartem Grün. Um mich herum das Jubilieren der Vögel. Ich setze mich mit meinem Klapphocker auf den Weg und lege los, die Fröhlichkeit des Augenblickes einzufangen. Dankbarkeit und Frieden erfüllen mich.

Ansonsten arbeite ich seit einigen Tagen an einer Reihe von Bleistiftzeichnungen zum Thema Textil-Industrie. Ich zeichne die alten Maschinen, die ich im Herbst in Tailfingen fotographieren durfte. Es hat etwas meditatives, sich so in die Details der Maschinen zu versenken, die großen und kleinen Teile, die Zahnräder, Schrauben, Verbindungen faszinieren mich, ohne dass ich sie verstehe, ja, wahrscheinlich genau deshalb. Dass Menschen so etwas kompliziertes bauen können! Die Filigranität einer Rundstrickmaschine, das Übereinander der Kreise, die das Garn halten wie Gestirne oder Planetenbahnen, ist wunderschön! Und dass diese alten Maschinen immer noch in Benutzung sind, freut mich sehr.

Albstadt-Textil-Zeichnung-1

Ein Bild entsteht

Die Ecke mit dem Zigaretten-Automat spricht mich an.

Dort prallen Gegensätze aufeinander. Links der moderne Zigaretten-Automat vor glatten, geraden Wänden, rechts die alte Hausecke mit bröckelndem Putz und roten Ziegeln, darin eine schiefhängende, geflickte Holztür.

Zeiten prallen aufeinander: Heute und gestern. Moderne und Verfall. Wann wurde das alte Haus gebaut? Geht noch jemand durch die Tür? Was ist dahinter? Als Außenstehende weiß ich über diesen Ort erstmal nichts. Ich kann mir Geschichten dazu ausdenken. Hat vor der Tür früher der Großvater in der Abendsonne seine Feierabendpfeife geraucht? Wer kommt heute zum Zigarettenholen? Kommen viele? Kommen welche dabei ins Gespräch? Ist schon jemand nicht mehr wieder heimgekommen? Wie oft wird der Anhänger benutzt? Wofür? Ein kleiner Haufen Müll an der Hausecke – eine menschliche Spur. Wer lebt hinter den glatten Wänden? Lebt es sich da gut?

Diese alltägliche Ecke finde ich so spannend, dass ich sie in ein Bild umsetzen möchte. Ich fotographiere sie.

Im Atelier nach der weißen Grundierung der Hartfaserplatte erst die skizzenhafte Aufteilung der Flächen mit wässriger Acrylfarbe. Erstes Anlegen der Farbflächen, links gleichmäßig mit breitem Pinsel, rechts krakelig-grob mit Ölkreide und herunterlaufender Acrylfarbe, den Hänger schnell mit wenigen Pinselstrichen und Farbflächen skizziert, den Boden kritzelig zerfurcht gepinselt. Bleistift-Flächen lege ich an, um Brüche zu erzeugen: die Linien des Bleistiftes verdichten sich, bleiben jedoch bewusst sichtbar, schaffen eine andere Ebene, weg vom Real-Abbildenden. Mal bedeuten sie Metall, mal Dunkelheit, mal schmutzige oder zerkratzte Fläche. In den folgenden Tagen findet ein kleiner Kampf statt: Viele Farbflächen werden immer wieder überarbeitet, zurechtgerückt, Schichten bilden sich, die Volumen, Patina, Geschichte erzeugen, atmen. Eine akkurat zugemalte Fläche wirkt kalt, steril, leblos. Den Automat male ich auf diese Weise, ohne zu viele Details. Im Gegensatz dazu habe ich die Wand und Tür des alten Hauses geritzt, gespachtelt und mit all meinen Mal- und Zeichenmaterialien wieder und wieder bearbeitet, am Schluss noch mit Wellpappe beklebt, die ich auch wieder bearbeitet habe. Dieser Bildteil soll leben, Geschichte ausstrahlen, Brüche, Materialität. Auch den Boden musste ich am Ende doch sehr detailreich mit seinen Steinchen und Gräsern ausführen. Er feiert dadurch fast altmeisterlich das Provisorische, Ungestaltete, Ursprüngliche.

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Ich schaue mein Bild an. Seltsam wirkt es erstmal, so unterschiedlich im Malstil. Aber das wollte ich ja eben, diese Gegensätze und Brüche herausarbeiten. Ich schaue weiter. Ich denke: Alles zugebaut, statisch, kein Ausweg. Nur der Hänger kann bewegt werden. Er kann eine Lücke hinterlassen. Es kann jemand an den Automat treten und Zigaretten ziehen. Vielleicht geht mal jemand durch die Tür? Wird das alte Gemäuer bleiben dürfen?

Ist meine Bildaussage gelungen? Ist sie vielschichtig genug? Ist sie zu platt? Das mag vielleicht auch auf die Betrachtenden ankommen, ob sie sich darin wiederfinden, getroffen fühlen oder überhaupt etwas damit anfangen können. Heute Abend bekomme ich Besuch von ein paar Albstädter FreundInnen. Ich bin gespannt, was sie zu dem Bild sagen. Ich bin gespannt auch, wie das Bild sich im Laufe der Zeit macht. Wird es einen Stellenwert inmitten meiner anderen Bilder haben? Dauerhaft haben? Wird es ausgestellt? Wie wird es dann wirken?

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Dorfgeschichten

Albstadts Stadtteil Truchtelfingen ist kleiner, als ich zuvor beim Durchfahren den Eindruck hatte. Er hat sich viel Dorf-Charakter bewahrt. Ganz anders als die beiden Stadtteile, in denen ich bisher gearbeitet habe.

Es ist leicht, mit Einheimischen ins Gespräch zu kommen, wenn ich mit Hund unterwegs bin. Und wenn ich erzähle, dass ich ein Kunstprojekt zum Ort mache und mich deshalb dafür interessiere.

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Kleine Mini-Geschichten ergeben sich: Das Werksgebäude sehe ich jeden Tag am Ende meines Spazierweges. Seine schlichte, sandfarbene Architektur mit den überraschend großzügigen umlaufenden Balkonen fällt mir auf. Meine erste Schätzung: 50er Jahre, oder doch eher schon 30er? Ich frage mich, was dort hergestellt wird, und ich frage das dann auch die 2 Männer, die einmal hinten im Hof stehen, Betreten verboten: „Entschuldigung, darf ich Sie mal was fragen?“ „Klar! Bloß, ob Sie eine Antwort kriegen…“ Scherz! „Was wird denn hier hergestellt?“ „Pestizide.“ Ein Mann zeigt eine Sprühflasche. „Das hier zum Beispiel ist gegen Bettwanzen“. „Ach! Krass! Gibt’s denn sowas heutzutage überhaupt noch?“ wundere ich mich.

In der Betonfirma frage ich – das sollte man ja – ob ich fotographieren darf, stelle mich und mein Projekt vor, erzähle von meinem Interesse  für Alltagsorte, Industrie, für Maschinen, auch gerne mit Rost. Nun wundert sich der freundliche Mitarbeiter, er telefoniert, wir warten auf Rückruf, er erzählt mir zwischendurch vom Auf und Ab im Betongewerbe, 53 Jahre ist der Betrieb alt, und dann bekomme ich die Erlaubnis. Ich freue mich an einer alten Presse mit zerbrochenen Uhrengläsern, an rostigen Treppen und der himmelblauen Zapfsäule. Im Atelier male ich den großen Aufbau im Zentrum des Betriebes. Mit erstem Frühlingsgrün, das daraus sprießt.

Es gibt auch hier Textiles: In der Firma für Alles rund um’s Schaf bekomme ich Seife geschenkt und darf bei einer kleinen Führung eine „Stoffsäge“ fotographieren. Ja, sie sieht aus wie eine Bandsäge, ist aber für dicken Walkstoff.

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Umstanden von u-förmig angeordneten alten Häusern mit Gärten und Schuppen, sogar mit 2 „griechischen Säulen“, befindet sich eine Wiese mit 2 Fußballtoren. Sie wirkt wie aus einer vergangenen Welt. Ich sehe Kinder vor mir, die schon seit Urzeiten dort Fußball spielen, mit aufgeschürften Knien. Aber dort waren früher Hanf- und Leinengärten, höre ich.

Da ist ein kleines altes Haus mit Scheune an der Straßenecke bei den stillgelegten Bahngleisen. Ein Garten mit Zaun, alles schön gepflegt, an der Ecke ein Baum in Blütenpracht, es verzaubert mich. Es steht leer. Davor Bauarbeiter. Ich frage einen, ob ihm das Haus gehöre, erfahre, dass es der Stadt gehört, und dass es wohl abgerissen wird. Das macht mich traurig.

Ich treffe eine Spaziergängerin mit Hund. Erzähle von meinem Projekt und meinen bisherigen Eindrücken. Sie sagt: „In Ebingen haben sie jetzt echt was gemacht! Das find ich schon gut. Dass wir da jetzt C&A haben und so. Das gab’s nicht, als wir Kinder waren. Man will sowas ja schon gern.“

Eine andere Spaziergängerin zeigt mir, dass da unten ein Fuchs wohnt, und dort drüben würden zur Zeit immer 3 Eichhörnchenjunge spielen.

Hinter Garagen, zwischen Beton und Stein, weht eine Fahne schwarzweißrot: „Deutschland Meine Heimat“. Mit großer Wahrscheinlichkeit versteht der Fahnenhisser unter Heimat etwas völlig anderes als ich.

Mein erstes Bild, das ich hier gemalt habe, zeigt die alte leerstehende Metzgerei Furch und das Häuschen daneben mit den Blechschindeln. Das Ensemble hatte schon auf früheren Durchfahrten immer meinen Blick auf sich gezogen. Was mögen für Geschichten in ihm stecken?“

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Umzug nach Truchtelfingen

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Am 3. April habe ich mein 4. temporäres Atelier bezogen, das mir von dem Ehepaar Ermel zur Verfügung gestellt wird – vielen Dank! Bis 8. Mai werde ich in dem süßen alten Häuschen wohnen und zum Stadtteil Truchtelfingen arbeiten. Schon am 1. Tag habe ich viele spannende Motive entdeckt und fotographiert. Mein Atelier ist eingerichtet und wartet darauf, dass ich die Fotos umsetze. Auch der Ausblick aus den Fenstern lockt, ihn zu skizzieren. Wie gehabt kann mich unter der Nr. 0176-630 733 15 anrufen, wer einen Blick auf meine Arbeit werfen möchte!

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Der Zahn der Zeit

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Abb.: Letzter Abend im Kunst-Werk-Haus (Foto: Ava Smitmans)

Mein Arbeitsaufenthalt im Kunst-Werk-Haus und damit in Albstadt-Ebingen ist nun beendet. Es war eine bereichernde Zeit. Nicht nur die Umsetzung meiner Bilder, auch der Kontakt zu den Menschen vor Ort, der Austausch mit ihnen, gab und gibt mir viel und lässt mir einmal mehr einen Ort ans Herz wachsen! Im Kunst-Werk-Haus widmete ich mich nochmal besonders dem „Zahn der Zeit“: Mittels Zeichnung und Druckgrafik  nahm ich zwei besonders gefährdete Gebäude ins Visier, die Villa Maag, ein für mich magischer, traurig-vernachlässigter Ort, und das einzeln stehende Haus an der Grüngrabenstraße, dem der Abriss droht. Letzteres wurde mir wiederholt nahegelegt, es hatte mich auch selbst die ganze Zeit angesprochen, ohne dass ich jedoch zu einer mich zufriedenstellenden Bildlösung gefunden hatte. Nun zeige ich es von einer Ecke mit offenliegendem Balken, in dem noch die Jahresringe des einstigen Baumes zu sehen sind.

Ein weiteres Motiv ist ein funkelnagelneues modernes Haus aus Beton und Glas, an dem noch letzte Baumaßnahmen erfolgten, mit einem alten schmiedeeisernen Zaun davor, der augenscheinlich Überrest einer ehemals dort stehenden alten Villa ist. Der Gegensatz zwischen der neuen gradkantigen Glätte und dem rostigen, geschwungen Zaun voller Zierrat faszinierte mich.

In allen Drucken brachte ich eine Kombination aus Linolschnitt und einem Druck mit ausgeschnittener Pappe/Wellpappe zum Einsatz, ersteres v.a. für die klareren Formen, zweiteres für die Darstellung des Alters und des Verfalls. Es war ein Ausflug in eine von mir bisher wenig angewendete Technik, den Hochdruck, inspiriert von der am Arbeitsort vorgefundenen alten Nudelpresse. Auch wenn das eine Spur ist, die weiter zu verfolgen viel an neuen Entdeckungen verspricht, werde ich sie zunächst nicht weiter vertiefen. Malerei und Zeichnung, sowie Objekte sollen das Albstadt-Projekt überwiegend bestimmen. Ab 4. April werde ich mein viertes temporäres Atelier in Albstadt beziehen: in Albstadt-Truchtelfingen, wo ich bis 8. Mai bleiben werde. Anschließend geht es nach Laufen.

Herzlichen Dank schon jetzt an die RaumgeberInnen! Weiterhin suche ich Quartiere in Lautlingen, Pfeffingen, Margrethausen, Burgfelden und Onstmettingen! Ich freue mich über entsprechende Angebote oder Tipps!

Plädoyer für das Alte

Unter den AusstellungsbesucherInnen in der Alten Kanzlei war auch die freundliche Mitarbeiterin des Maschenmuseums, die im Herbst zu mir gesagt hatte: „Frau Smitmans, ich muss Ihnen unbedingt was zeigen, das müssen Sie malen!“ Sie führte mich in den Hinterhof des Museums und erzählte, dass das Gebäude zur Straße dort abgerissen werden solle, und dass sie sich dafür einsetzten, wenigstens den Schornstein zu erhalten. Der Hof mit dem Schornsteinstumpf, aus dem Gestrüpp wächst, hat mich sofort begeistert, und ich habe ihn ins Bild umgesetzt. Die Freude der Besucherin, das Bild in der Alten Kanzlei zu sehen, war groß. Ein älterer Besucher erzählte mir von seiner Ausbildung, die er am Rande des Hofes gemacht hatte.

Ich habe in Tailfingen eine Reihe von fünf Bildern gemalt, die ich „Hinterhof mit Schornstein“ nenne, denn das ist mir als eine Besonderheit des Ortsteils aufgefallen: die Nähe von Wohnen und Arbeiten. Viele der alten Strukturen und besonderen architektonischen Konglomerate sind schon verloren gegangen. Ich plädiere dafür, die letzten dieser Art zu erhalten. Dieses Plädoyer habe ich auch immer wieder gehört, wenn ich mit AlbstädterInnen ins Gespräch kam. Alte Fotos wurden mir gezeigt, von Bauhaus-Architekten erzählt, die zur Hochzeit der Industrialisierung in Albstadt engagiert wurden, und deren Bauten späteren Modernisierungsbestrebungen weichen mussten. Im Ruhrgebiet sind sie mittlerweile stolz auf ihr Erbe. Auch darum musste erst gekämpft werden. Ein Ort hat seine Geschichte. Natürlich hat er sich immer verändert, das muss er auch, er muss sich neuen Erfordernissen anpassen. So wie hier die Industrialisierung die bäuerlichen Bauten in den Hintergrund gedrängt hat. Aber auch sie sind weiterhin dazwischen zu sehen und tragen dazu bei, die Geschichte des Ortes sichtbar zu machen. Nicht nur meiner Meinung nach wird hier zu viel abgerissen, wertvolle Substanz verschenkt, die man integrieren könnte/sollte.

Ich bemühe mich in der Zeit, die ich hier bin, eine kurze Zeitspanne der Stadtgeschichte in meinen Bildern festzuhalten. Dazu gehört auch Leerstehendes, Brachliegendes, Fabrikgebäude mit ungewisser Zukunft, Villen, die verfallen. Bilder leerstehender Gewerberäume zeugen von vergangenen Hoffnungen und Lebensplänen und deren Sterben, lassen die Geschäftigkeit der Menschen, die dort arbeiteten und die sie besuchten, erahnen, wecken Erinnerungen bei den BildbetrachterInnen, stimmen wehmütig, vielleicht nachdenklich. Heute noch lebendige Geschäfte können morgen schon leer stehen. Mir und anderen liebgewordene alte Häuser gibt es womöglich in einem halben Jahr nicht mehr. Das Thema ist ein Anliegen, seit ich mich in meiner Arbeit mit Städten und Orten beschäftige. Hier in Albstadt scheint es mir einmal wieder besonders dringlich.

Entdeckungen in der Alten Kanzlei

Künstler-innen-Vernissage-Entdeckungen

Sehr gut besucht war die Eröffnung der Ausstellung „Entdeckungen“ in der Produzentengalerie „Alte Kanzlei“ in Albstadt-Ebingen (Johann-Philipp-Palm-Straße 9, 72458 Albstadt) an der Ava Smitmans als Gastkünstlerin teilnimmt. Die Ausstellung ist auch am Sonntag, 6. März von 11 – 17 Uhr geöffnet. Ava Smitmans wird vor Ort sein und freut sich über interessierte BesucherInnen!“ (Foto, hinten: Michl Brenner und Rolf Jahnke, vorne: Ava Smitmans, Dieter Günter, Gabriele Opfermann, Jörg Wandel)

Neue Perspektiven aus dem Kunst-Werk-Haus

Ava Smitmans im Atelier - Kunstwerkhaus Ebingen 2

Seit dem 21. Februar arbeite ich nun im Kunst-Werk-Haus im Stadtteil Ebingen. In den drei Wochen (bis 13. März) möchte ich mich dort v.a. der Druckgraphik widmen. Es gibt eine alte Nudelpresse, die schon als Druckpresse verwendet wurde.

Albstadt-Rolf-Nudelpresse-2

Gut geeignet für experimentelles Drucken, habe ich mir sagen lassen. Bestimmte Motive habe ich dafür reserviert. Weiterhin bin ich offen für Atelierbesuche (Obere Vorstadt 25, 72458 Albstadt, Eingang über Ziegelplatz), nach vorherigem Anruf unter 0176-630 733 15. (Fotos: Ava Smitmans)