Dunkle Wolke

Ich war finster gestimmt. Ich hatte den ganzen Tag an dem großen Bild eines Firmen-Eingangs gearbeitet, mit viel Freude, und irgendwann kippte es. Ich merkte, es haut nicht mehr hin, ich krieg’s nicht hin, wie ich will, und das Schlimmste: das Bild sagt mir nichts mehr, und das, obschon mir das Motiv am Herzen lag und das Bild viele gute Stellen hatte. Pause machen war angesagt. Die Pause nützte aber gar nichts. Meine Stimmung wurde richtig schlecht, ich war frustriert, hatte Angst, nie wieder ein gutes Bild malen zu können, die ganze Palette von negativen Gefühlen, die sich manchmal einstellt, wenn es künstlerisch nicht so läuft. Ich war total schlecht gelaunt und wütend auf mich und die Welt.

Die Band Element Of Crime, die ich sehr verehre, hat es mit dem Lied „Dunkle Wolke“ treffend beschrieben. Überhaupt entdecke ich viel Verwandtes zwischen ihren Stücken und meinen Bildern. Der Blick auf Nebensächliches und Alltägliches, mitunter Skurriles. Das Melancholische und wunderbar Poetische in Musik und Text der Band, es berührt mich sehr und inspiriert mich auch immer wieder.

Zum Glück habe ich meinen Hund, der seinen Abendspaziergang brauchte. Völlig stinkig und unansprechbar – ich dachte: super, soviel zum erwünschten Kontakt zu den Menschen vor Ort, im Moment fühle ich mich dazu überhaupt nicht in der Lage – fuhr ich also mit meinem 2-Gang-Klapprad aus den 70ern, das ich hierher mitgebracht habe, los. Mein Hund liebt das Rennen, das passt also, und wir fuhren einen neuen Weg aus dem Ort heraus und landeten in einem kühlen, lichtdurchfluteten Wald, fuhren an schattigen Wiesentälern vorbei, fuhren immer weiter, und nach und nach löste sich die Beklemmung, wich einem Gefühl der Ruhe und der Dankbarkeit für diese Schönheit um mich herum. Es war gut. Dankbarkeit auch, aus dieser dunklen Wolke wieder aufzutauchen.

Albstadt-Baum-im-Licht Albstadt-Atelier-Onstmettingen

 

 

 

 

Wieder in meinem Quartier hatte ich plötzlich Lust, an meinem Bild noch die eine oder andere Veränderung vorzunehmen. Ich dachte: Das machst Du jetzt einfach, und plötzlich war da gar kein Problem mehr, es waren eigentlich nur ein paar Kleinigkeiten, die dazu führten, dass ich wieder einig wurde mit meinem Bild. Es war wieder da, wieder meins. Ich war sehr froh und erleichtert.

Am nächsten Tag widmete ich mich dem Thema Innenräume, im kleinen Format. Ich war glücklich, 2 gute Arbeiten zu schaffen, das dritte ging daneben. Zu sorgfältig gezeichnet, zu naturalistisch, dabei bot das Motiv sich geradezu an zur Abstraktion. Es schwebte mir so greifbar vor Augen! OK, ich habe ja meine beiden guten, konnte ich denken, morgen geht’s weiter.

Nach 4 Anläufen habe ich es dann geschafft, mein Bild geschaffen. Mein Bild muss es sein, damit ich zufrieden bin. Am Ende ist es ein Gefühl von Liebe zu meinem Bild. Dann ist es richtig und fertig. Eigentlich klar, dass der Entstehungsprozess so auch mit Schmerzen verbunden sein muss.

Die Moral: Alles braucht seine Zeit. Abstürzen, Scheitern und wieder Aufstehn´/Weitermachen gehört zum künstlerischen Prozess, genauso wie Pausen/Abstand vom Schaffen. Und die Band Element Of Crime, sie ist mir sehr nah. Sie sei wärmstens weiterempfohlen.

Ich bin jetzt auch wieder ansprechbar!

(Fotos: Ava Smitmans, „Baum im Licht“ und „Atelier in Onstmettingen“)

Abgründigkeit, Vordergründigkeit und Vielschichtigkeit

Das Gespräch mit dem alten Mann und seinen Schafen und Ziegen geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Ich habe was gegen Rassisten. Aber hätte ich vielleicht doch noch mehr bohren sollen? Es wäre die Gelegenheit gewesen, nachforschen, wie so einer tickt. Hätte es was geändert? Mir war so schon schlecht.

Aber es taucht in mir, nicht zum ersten Mal, die Frage auf, wie sieht das eigentlich mit meinen Bildern aus? In den Häusern, die ich darstelle, wohnen oder wohnten Menschen. Was weiß ich letzten Endes über sie?

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Ich sehe nur die Außenhaut. Sie ist natürlich voller menschlicher Spuren. Nur dann wähle ich ein Motiv ja überhaupt aus. Wenn da alles glatt ist, ist es uninteressant für mich. Die Spuren erzählen mir einiges über die, die drin wohn(t)en oder arbeite(te)n. Satellitenschüsseln, Schilder, Gardinen, Dinge in den Fenstern, Dinge, die um’s Haus herumstehen, Fassadengestaltung, Abnutzungserscheinungen, lauter Kleinigkeiten, die dem Haus seine Eigenheit, seinen Charakter geben, den Mensch dahinter erahnen lassen. Betonung auf „Erahnen“! Natürlich kann ich auch völlig daneben liegen. Ich gucke ja aus meiner Perspektive. Ich interpretiere, mache mir ein eigenes Bild.

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Wenn ich in ein Haus gehe (meist unbewohnt), wird die Zahl der Spuren oft größer. Innen gibt sich der Mensch mehr preis als außen. Jedoch wieviel verraten diese Spuren wirklich? Sie lassen ein bisschen in den Alltag blicken, ein bisschen in die Zeit und ihre Moden und Erzeugnisse, ein bisschen in die Vorlieben, was der/die BewohnerIn schön fand, womit er/sie sich beschäftigt hat. Ich mag die kleinen Details, die darauf Rückschlüsse ziehen lassen. Manche Dinge sehe ich öfter, manche sind einmalig & eigen.

Aus vielen solchen Haus-Begegnungen bilden sich für mich nach und nach Bilder der Zeit und der Gesellschaft, menschlicher Bedürfnisse, menschlichen Befindens. Gegenstände und Räume können zu Metaphern werden. Meine Darstellungen vielleicht zu Spiegeln.

Aber letztendlich weiß ich nicht wirklich, was in den Räumen passiert (ist). Es können Abgründe hinter den Mauern und Fassaden und Dingen lauern, die ich male, und ich weiß es nicht. Manchmal denke ich daran. Frage mich, ob ich das in meinen Bildern mehr thematisieren sollte.

Bisher tue ich das nicht. Meine Bilder spielen eher mit dem Geheimnis, mit verschiedenen Ebenen, Zwiespältigkeiten. Man soll beide Möglichkeiten darin sehen können, sozusagen die zum Guten und die zum Schlechten, auch beides nebeneinander. Man soll Fragen stellen können. Die Bilder sollen Projektionsflächen bieten.

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Man kann beispielsweise berührt sein von der Mühe, die sich Menschen geben, ihre Umgebung zu gestalten, die oft voller Widrigkeiten steckt. Man kann die Traurigkeit verlassener Gebäude spüren, das Abgeschriebensein, die vergangene Hoffnung, man kann das auch als ein Sinnbild für menschlichen Umgang miteinander sehen. Man kann sich auch fragen, was passiert hinter den Fenstern, hinter den geschlossenen Rollläden, oder was ist passiert: Krankheit, Gewalt, Liebe, Fürsorge, Hoffnung, Freude, Leid, es kann ja alles sein.

Das sind meine Fragestellungen, die immer mitspielen in meiner Arbeit, die mich auch antreiben. Außer formalen Aspekten wie Formgebungen, Farben, Komposition, Spannung im Material etc.., was auch unbedingt dazugehört.

Vielleicht widme ich mich trotzdem einmal in einem Projekt dem Thema der Abgründigkeit, ganz explizit. Das reizt mich schon lange. Warum? Weil das Leben immer wieder auch so ist. Weil ich ausloten will, wie die Bandbreite ist, bevor es ins Plakative geht. Es darf auch schockieren, so wie das Leben auch schockieren kann, aber auf eine eher hintergründige Art. Einige Ideen habe ich da schon. Das lässt sich aber nicht mit einem Stadtmalprojekt vereinen, das muss dann ein völlig anderes Projekt sein.

Begegnungen in Onstmettingen

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Ins Gespräch gekommen mit dem Nachbarn einer kleinen leerstehenden Strickfabrik. Er hat einen Schlüssel, aber erst muss ich mit dem Besitzer sprechen. Ich habe diesem auf den AB gesprochen, nun warte ich hoffnungsvoll auf seinen Rückruf und sein OK, dass ich drinnen Fotos machen darf!

Ein sizilianischer Obstverkäufer wundert sich, dass ich seine gestapelten Kisten, Paletten und Schilder fotografiere. Venedig oder Pisa, das sei gut für die Kunst, nicht das hier. Sein kleiner Sohn sagt, er will gerne in meine Ausstellung kommen, wenn er dann da ist.

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Beim Spaziergang mit meinem Hund treffe ich auf einen alten Mann, der seine Schafe und Ziegen füttert. Ausgesprochen schöne Ziegen, finde ich. Die jungen Schafböcke sind heiß. Er frage sich, sagt der Mann, wieso der da oben bei den Tieren Grenzen gesetzt hat, dass sie sich kreuzen, nicht aber beim Menschen. Ich bin schockiert. Meine Entgegnung, dass alle Menschen Menschen seien, Schafe und Ziegen hingegen verschiedene Arten, will er nicht gelten lassen. Ich sehe keinen Sinn darin, das Gespräch fortzusetzen. Später fällt mir dazu die Begegnung mit einer alten Frau in Burgfelden ein: Wir waren auf die Auswanderung von Ortsbewohnern nach Amerika zu sprechen gekommen. „Damals sind sie von hier ausgewandert, und heute kommen die Flüchtlinge zu uns. Das ist doch nur gerecht“, hatte sie gesagt. Soviel zum Thema Verknöcherung, denke ich, man muss nicht verknöchert werden, und manche sind es wahrscheinlich ihr Leben lang.

Albstadt-Haus-grünZwei Männer, die Deutsch nicht als Muttersprache sprechen, sind dabei, ein beiges Onstmettinger Eternit-Haus leuchtend gelbgrün zu streichen. Ich sage ihnen, dass mir das gut gefällt, so schön bunt. „Echt?“ fragen sie und freuen sich sehr.

Am nächsten Tag male ich mein erstes Onstmettinger Bild. Meine Fenster sind weit geöffnet, es ist fast wie draußen sein. Die Sonne scheint, Autos fahren vorbei, alte knatternde Schlepper, moderne große Traktoren, Busse, Mopeds. Ich höre Gesprächsfetzen vorbeilaufender Menschen. Ich genieße die Lebendigkeit um mein Quartier herum.

Abends kommt der erhoffte Anruf: Ich darf mit dem Besitzer in seine Fabrik! Juchuu!

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In Onstmettingen angekommen

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Nach einer Pause in Tübingen, wo ich einen 5-tägigen Skizzierkurs gegeben und verschiedene Dinge geregelt habe, habe ich mich nun in meinem 6. Albstädter Ortsteil, Onstmettingen, eingerichtet.

Quartier-OnstmettingenDie ehemalige Bücherei ist bisher mein größter Raum, toll zum Arbeiten, aber er war vollkommen leer, ich habe ihm nun mit meinen Dingen etwas Struktur & eine ganz gemütliche Atmosphäre gegeben.

Ich genieße die Aufregung, in einem neuen Ort zu sein, wenn Alles noch unbekannt und unerforscht ist! Einige Fotos habe ich hier letzten Sommer schon von Industrie und Gewerbe entlang der Schmiecha gemacht und auf Durchfahrten Interessantes erblickt. Aber nun werde ich tiefer eintauchen, mir die hiesige Infrastruktur erschließen und mit dem Fotoapparat ausgedehnt auf Entdeckungstour gehen, darauf freue ich mich sehr!

Besuch ist herzlich willkommen! Der zentral gegenüber dem Rathaus gelegene Raum war ja auch früher schon für die Öffentlichkeit bestimmt, vielleicht macht es das etwas leichter eventuelle Hemmschwellen zu überwinden? Schauen Sie einfach vorbei, oder, wenn Sie sichergehen wollen mich anzutreffen, rufen Sie mich vorher an: 0176-630 733 15. Ich freue mich besonders auch auf Gespräche mit OnstmettingerInnen!

Vielen Dank an die Albstädter Stadtverwaltung und die as wohnbau gmbh für das Zurverfügungstellen der Räumlichkeit!

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