Der Zahn der Zeit

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Abb.: Letzter Abend im Kunst-Werk-Haus (Foto: Ava Smitmans)

Mein Arbeitsaufenthalt im Kunst-Werk-Haus und damit in Albstadt-Ebingen ist nun beendet. Es war eine bereichernde Zeit. Nicht nur die Umsetzung meiner Bilder, auch der Kontakt zu den Menschen vor Ort, der Austausch mit ihnen, gab und gibt mir viel und lässt mir einmal mehr einen Ort ans Herz wachsen! Im Kunst-Werk-Haus widmete ich mich nochmal besonders dem „Zahn der Zeit“: Mittels Zeichnung und Druckgrafik  nahm ich zwei besonders gefährdete Gebäude ins Visier, die Villa Maag, ein für mich magischer, traurig-vernachlässigter Ort, und das einzeln stehende Haus an der Grüngrabenstraße, dem der Abriss droht. Letzteres wurde mir wiederholt nahegelegt, es hatte mich auch selbst die ganze Zeit angesprochen, ohne dass ich jedoch zu einer mich zufriedenstellenden Bildlösung gefunden hatte. Nun zeige ich es von einer Ecke mit offenliegendem Balken, in dem noch die Jahresringe des einstigen Baumes zu sehen sind.

Ein weiteres Motiv ist ein funkelnagelneues modernes Haus aus Beton und Glas, an dem noch letzte Baumaßnahmen erfolgten, mit einem alten schmiedeeisernen Zaun davor, der augenscheinlich Überrest einer ehemals dort stehenden alten Villa ist. Der Gegensatz zwischen der neuen gradkantigen Glätte und dem rostigen, geschwungen Zaun voller Zierrat faszinierte mich.

In allen Drucken brachte ich eine Kombination aus Linolschnitt und einem Druck mit ausgeschnittener Pappe/Wellpappe zum Einsatz, ersteres v.a. für die klareren Formen, zweiteres für die Darstellung des Alters und des Verfalls. Es war ein Ausflug in eine von mir bisher wenig angewendete Technik, den Hochdruck, inspiriert von der am Arbeitsort vorgefundenen alten Nudelpresse. Auch wenn das eine Spur ist, die weiter zu verfolgen viel an neuen Entdeckungen verspricht, werde ich sie zunächst nicht weiter vertiefen. Malerei und Zeichnung, sowie Objekte sollen das Albstadt-Projekt überwiegend bestimmen. Ab 4. April werde ich mein viertes temporäres Atelier in Albstadt beziehen: in Albstadt-Truchtelfingen, wo ich bis 8. Mai bleiben werde. Anschließend geht es nach Laufen.

Herzlichen Dank schon jetzt an die RaumgeberInnen! Weiterhin suche ich Quartiere in Lautlingen, Pfeffingen, Margrethausen, Burgfelden und Onstmettingen! Ich freue mich über entsprechende Angebote oder Tipps!

Plädoyer für das Alte

Unter den AusstellungsbesucherInnen in der Alten Kanzlei war auch die freundliche Mitarbeiterin des Maschenmuseums, die im Herbst zu mir gesagt hatte: „Frau Smitmans, ich muss Ihnen unbedingt was zeigen, das müssen Sie malen!“ Sie führte mich in den Hinterhof des Museums und erzählte, dass das Gebäude zur Straße dort abgerissen werden solle, und dass sie sich dafür einsetzten, wenigstens den Schornstein zu erhalten. Der Hof mit dem Schornsteinstumpf, aus dem Gestrüpp wächst, hat mich sofort begeistert, und ich habe ihn ins Bild umgesetzt. Die Freude der Besucherin, das Bild in der Alten Kanzlei zu sehen, war groß. Ein älterer Besucher erzählte mir von seiner Ausbildung, die er am Rande des Hofes gemacht hatte.

Ich habe in Tailfingen eine Reihe von fünf Bildern gemalt, die ich „Hinterhof mit Schornstein“ nenne, denn das ist mir als eine Besonderheit des Ortsteils aufgefallen: die Nähe von Wohnen und Arbeiten. Viele der alten Strukturen und besonderen architektonischen Konglomerate sind schon verloren gegangen. Ich plädiere dafür, die letzten dieser Art zu erhalten. Dieses Plädoyer habe ich auch immer wieder gehört, wenn ich mit AlbstädterInnen ins Gespräch kam. Alte Fotos wurden mir gezeigt, von Bauhaus-Architekten erzählt, die zur Hochzeit der Industrialisierung in Albstadt engagiert wurden, und deren Bauten späteren Modernisierungsbestrebungen weichen mussten. Im Ruhrgebiet sind sie mittlerweile stolz auf ihr Erbe. Auch darum musste erst gekämpft werden. Ein Ort hat seine Geschichte. Natürlich hat er sich immer verändert, das muss er auch, er muss sich neuen Erfordernissen anpassen. So wie hier die Industrialisierung die bäuerlichen Bauten in den Hintergrund gedrängt hat. Aber auch sie sind weiterhin dazwischen zu sehen und tragen dazu bei, die Geschichte des Ortes sichtbar zu machen. Nicht nur meiner Meinung nach wird hier zu viel abgerissen, wertvolle Substanz verschenkt, die man integrieren könnte/sollte.

Ich bemühe mich in der Zeit, die ich hier bin, eine kurze Zeitspanne der Stadtgeschichte in meinen Bildern festzuhalten. Dazu gehört auch Leerstehendes, Brachliegendes, Fabrikgebäude mit ungewisser Zukunft, Villen, die verfallen. Bilder leerstehender Gewerberäume zeugen von vergangenen Hoffnungen und Lebensplänen und deren Sterben, lassen die Geschäftigkeit der Menschen, die dort arbeiteten und die sie besuchten, erahnen, wecken Erinnerungen bei den BildbetrachterInnen, stimmen wehmütig, vielleicht nachdenklich. Heute noch lebendige Geschäfte können morgen schon leer stehen. Mir und anderen liebgewordene alte Häuser gibt es womöglich in einem halben Jahr nicht mehr. Das Thema ist ein Anliegen, seit ich mich in meiner Arbeit mit Städten und Orten beschäftige. Hier in Albstadt scheint es mir einmal wieder besonders dringlich.

Entdeckungen in der Alten Kanzlei

Künstler-innen-Vernissage-Entdeckungen

Sehr gut besucht war die Eröffnung der Ausstellung „Entdeckungen“ in der Produzentengalerie „Alte Kanzlei“ in Albstadt-Ebingen (Johann-Philipp-Palm-Straße 9, 72458 Albstadt) an der Ava Smitmans als Gastkünstlerin teilnimmt. Die Ausstellung ist auch am Sonntag, 6. März von 11 – 17 Uhr geöffnet. Ava Smitmans wird vor Ort sein und freut sich über interessierte BesucherInnen!“ (Foto, hinten: Michl Brenner und Rolf Jahnke, vorne: Ava Smitmans, Dieter Günter, Gabriele Opfermann, Jörg Wandel)