Abgründigkeit, Vordergründigkeit und Vielschichtigkeit

Das Gespräch mit dem alten Mann und seinen Schafen und Ziegen geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Ich habe was gegen Rassisten. Aber hätte ich vielleicht doch noch mehr bohren sollen? Es wäre die Gelegenheit gewesen, nachforschen, wie so einer tickt. Hätte es was geändert? Mir war so schon schlecht.

Aber es taucht in mir, nicht zum ersten Mal, die Frage auf, wie sieht das eigentlich mit meinen Bildern aus? In den Häusern, die ich darstelle, wohnen oder wohnten Menschen. Was weiß ich letzten Endes über sie?

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Ich sehe nur die Außenhaut. Sie ist natürlich voller menschlicher Spuren. Nur dann wähle ich ein Motiv ja überhaupt aus. Wenn da alles glatt ist, ist es uninteressant für mich. Die Spuren erzählen mir einiges über die, die drin wohn(t)en oder arbeite(te)n. Satellitenschüsseln, Schilder, Gardinen, Dinge in den Fenstern, Dinge, die um’s Haus herumstehen, Fassadengestaltung, Abnutzungserscheinungen, lauter Kleinigkeiten, die dem Haus seine Eigenheit, seinen Charakter geben, den Mensch dahinter erahnen lassen. Betonung auf „Erahnen“! Natürlich kann ich auch völlig daneben liegen. Ich gucke ja aus meiner Perspektive. Ich interpretiere, mache mir ein eigenes Bild.

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Wenn ich in ein Haus gehe (meist unbewohnt), wird die Zahl der Spuren oft größer. Innen gibt sich der Mensch mehr preis als außen. Jedoch wieviel verraten diese Spuren wirklich? Sie lassen ein bisschen in den Alltag blicken, ein bisschen in die Zeit und ihre Moden und Erzeugnisse, ein bisschen in die Vorlieben, was der/die BewohnerIn schön fand, womit er/sie sich beschäftigt hat. Ich mag die kleinen Details, die darauf Rückschlüsse ziehen lassen. Manche Dinge sehe ich öfter, manche sind einmalig & eigen.

Aus vielen solchen Haus-Begegnungen bilden sich für mich nach und nach Bilder der Zeit und der Gesellschaft, menschlicher Bedürfnisse, menschlichen Befindens. Gegenstände und Räume können zu Metaphern werden. Meine Darstellungen vielleicht zu Spiegeln.

Aber letztendlich weiß ich nicht wirklich, was in den Räumen passiert (ist). Es können Abgründe hinter den Mauern und Fassaden und Dingen lauern, die ich male, und ich weiß es nicht. Manchmal denke ich daran. Frage mich, ob ich das in meinen Bildern mehr thematisieren sollte.

Bisher tue ich das nicht. Meine Bilder spielen eher mit dem Geheimnis, mit verschiedenen Ebenen, Zwiespältigkeiten. Man soll beide Möglichkeiten darin sehen können, sozusagen die zum Guten und die zum Schlechten, auch beides nebeneinander. Man soll Fragen stellen können. Die Bilder sollen Projektionsflächen bieten.

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Man kann beispielsweise berührt sein von der Mühe, die sich Menschen geben, ihre Umgebung zu gestalten, die oft voller Widrigkeiten steckt. Man kann die Traurigkeit verlassener Gebäude spüren, das Abgeschriebensein, die vergangene Hoffnung, man kann das auch als ein Sinnbild für menschlichen Umgang miteinander sehen. Man kann sich auch fragen, was passiert hinter den Fenstern, hinter den geschlossenen Rollläden, oder was ist passiert: Krankheit, Gewalt, Liebe, Fürsorge, Hoffnung, Freude, Leid, es kann ja alles sein.

Das sind meine Fragestellungen, die immer mitspielen in meiner Arbeit, die mich auch antreiben. Außer formalen Aspekten wie Formgebungen, Farben, Komposition, Spannung im Material etc.., was auch unbedingt dazugehört.

Vielleicht widme ich mich trotzdem einmal in einem Projekt dem Thema der Abgründigkeit, ganz explizit. Das reizt mich schon lange. Warum? Weil das Leben immer wieder auch so ist. Weil ich ausloten will, wie die Bandbreite ist, bevor es ins Plakative geht. Es darf auch schockieren, so wie das Leben auch schockieren kann, aber auf eine eher hintergründige Art. Einige Ideen habe ich da schon. Das lässt sich aber nicht mit einem Stadtmalprojekt vereinen, das muss dann ein völlig anderes Projekt sein.