Und da wurde das folgende Bild doch wieder ganz anders…
Im letzten Blog-Beitrag schrieb ich noch über das Wütendsein, das sich mitunter positiv auf die Bildgestaltung auswirkt. Ja, das ist so. Und doch kann es im nächsten Bild wieder ganz anders sein. Das liegt am Motiv. Das neue Motiv, das ich wählte, war alleine schon durch die Komposition ganz anders. Natürlich kann ich die Komposition selber bestimmen. Schon beim Fotographieren kann ich ein Bild beispielsweise in Schrägansicht oder frontal aufnehmen, was eine völlig andere Wirkung erzeugt. Schräge Linien erzeugen Unruhe im Bild. Gerade Linien, besonders wagerechte, erzeugen Ruhe. Worauf kommt es mir bei der Umsetzung ins Bild an, dementsprechend gestalte ich die Komposition.
Beim vorigen Motiv handelte es sich um eine Anhäufung von Eindrücken: Gerümpelstapel, ein Schlepper dazwischen, Bäume und Büsche in verschiedenen Herbstfarben, Hausgiebel und Dächer. Ich habe es bewusst bildfüllend mit vielen Anschnitten fotografiert, weil es mir, als ich es sah, Lust auf das Spiel mit Formen und Farben und auf das Abstrahieren des Gesehenen machte. Dementsprechend setzte ich es dann auch ziemlich wild ins Bild um.
Das neue Motiv hatte ich mehrmals von verschiedenen Blickwinkeln fotografiert, noch unentschlossen wegen der späteren Umsetzung. Fest stand, dass mein Hauptinteresse einem Detail galt: Einer wunderschönen alten Zapfsäule. Seit ich als Kind im Wirkungskreis meines Vaters eine Ausstellung mit frühen Arbeiten von Günter Malchow sah, wo er hyperrealistisch rostige Details von Zapfsäulen ins Bild setzte, schlummern diese eindrücklich in meinem Gedächtnis samt dem Wunsch, einmal auch etwas in dieser Richtung zu machen. Das spielte sicher auch bei meiner jetzigen Motivwahl mit, auch wenn die Umsetzung denn doch eine völlig andere ist. Das nur nebenbei bemerkt. Jedenfalls hatte es mir diese Zapfsäule angetan und ich musste nun überlegen, wie ich ihre Wirkung am Besten zur Geltung bringe. Wichtig war mir, nicht nur die Zapfsäule, sondern auch die Umgebung mit darzustellen, die auf mich eine nüchterne, eintönige Wirkung hatte.
Also ruhige Bildstimmung. Die Dynamik der Schräge schloss ich beim Betrachten meiner Fotos aus, weil sie gegen diese Stimmung gespielt hätte und außerdem zu sehr vom Objekt meiner Begierde abgelenkt hätte. Abgesehen davon, dass es langweilt, immer nur Schrägansichten darzustellen. Die Farbpalette des vorigen Bildes ist sehr bunt, beim neuen Bild ist sie viel reduzierter, mit nur wenigen Akzenten. Auch das fördert eine ruhige Ausstrahlung. Beim Malen wurde mir dann auch ziemlich schnell klar, dass ich mich mit der Expressivität zurückhalten muss. Diese Zapfsäule ist für mich so schön, dass ich sie klar und deutlich und mit Details zeigen will. Keine wilden Pinselstriche, die das verdecken. Die Umgebung muss in der Malweise entsprechend angepasst werden. Es ist kein Fotorealismus, nach wie vor ist es ein Spiel mit verschiedenen Materialien, aber subtiler und feiner. Das Dach des Gebäudes, vor dem die Zapfsäule steht, hat nicht ins kleinste Detail ausgearbeitete, aber doch deutlich nachempfundene Ziegel, statt z.B. einfach Längslinien oder gar keine Struktur, oder dass es womöglich aus Wellpappe aufgeklebt worden wäre, wie in anderen Bildern von mir. Die Zapfsäule, um die es im Bild geht, ist genauer ausgearbeitet als der Rest, aber sie fällt nicht heraus. Sie ist der Star, für den seine Umgebung besteht, deren Teil sie aber auch ist.
Später bemerke ich noch: Man schaut hinter der Zapfsäule gegen eine Wand. Im Gegensatz zum vorherigen Bild, wo sich all die vielen abgebildeten Dinge räumlich staffeln bis zu einem fernen Berg, zu dem man hinspazieren könnte, wenn man es zwischen all dem Geraffel und den verwinkelten Häusern hindurch schafft. Da könnte man jetzt philosophisch werden und überlegen, dass zuviel Ruhe gegen eine Wand führen könnte und Fortkommen und Entwicklung verhindert. Während man dynamisch es schaffen kann, sich zwischen all den Dingen, die im Weg stehen hindurch zu kämpfen, bis man schließlich in neue, zuerst noch nicht sichtbare Räume gelangt. Ja, auch auf solche Gedanken könnte man bei längeren Bildbetrachtungen kommen, ich selber sehe diese dritte Ebene oft erst, wenn mein Bild fertig ist. Das ist vielleicht auch besser so, vielleicht würde es sonst zu plakativ, wenn ich gleich mit einer solchen Zielsetzung an die Arbeit gehen würde. So ist es eine Möglichkeit der Interpretation, andere sehen/fühlen vielleicht etwas ganz anderes bei der Bildbetrachtung.