Gleich morgens früh muss es für mich an die Arbeit gehen, da habe ich die meiste Energie. Ich schaue möglichst, dass es klappt, dass ich nach dem Spaziergang mit meinem Hund und einem kleinen Frühstück an der Staffelei loslegen kann. Manchmal kommen andere Dinge dazwischen, wie ebenfalls dringende Büro-Arbeit, Telefonate u.ä., nebenher muss ich vielleicht auch erst den Malgrund vorbereiten, dreimaliger Anstrich + Trocknungszeiten. Wenn ich zu lange nicht ans Malen komme, werde ich unleidig. Und wenn ich den Morgen verpasse, ist oft die Luft raus.
Letztens kam auch eins zum anderen, ich wollte ein neues Bild beginnen, es wurde immer später und als ich dann endlich anfangen konnte, merkte ich, die ganze Energie, Lust und Inspiration ist ffft – weg! Ich war richtig sauer. Jeder Tag zählt für mein Projekt, so viele sind es ja nicht mehr, also habe ich mich gezwungen, trotzdem zu malen. Es war eher ein wütendes Rotzen mit der Farbe und dem Stift. Es schadete aber nicht, merkte ich, denn so kam mir überhaupt nicht der Gedanke, mich zu sehr mit Details zu beschäftigen & mich darin zu verlieren, wie das manchmal vorkommt. Ich wechselte zwischen den Materialien ohne groß zu überlegen hin und her, arbeitete großflächig und expressiv. Und merkte, dass ich langsam Spaß daran fand. Ich sagte mir, ich schaffe jetzt die Grundlage für das Bild, und wenn ich nächstes Mal weitermache, kann ich darauf dann aufbauen. Diese Grundlage, das erste Anlegen des Bildes in seiner Gänze ist mitunter zäh. Wenn ich das dann habe und es ans Ausarbeiten geht, macht es viel mehr Freude. Die Grundlage darf nicht zu brav sein, sonst wirkt sich das auf das Gesamtbild entsprechend aus. Beim Ausarbeiten ist es schön, wenn es im Bild schon viele spannende, freie Ansätze gibt, die Lust machen, sie weiter zu verfolgen. Deshalb ist es nicht schlecht, den Anfang in wütender Stimmung zu machen, das habe ich schon öfter festgestellt.
Am Ende der ersten Arbeitsphase war ich schon ganz zufrieden mit dem oberen Bildteil, ein zentrales Bildelement fand ich völlig daneben, der untere Bildteil war noch fast leer. Weiter ging es erstmal nicht. Am nächsten Tag bin ich frühzeitig ans Werk gegangen, und konnte so gelassen und freudig auf dem Angefangenen aufbauen. Fertig ist das Bild noch nicht. Es gibt immer wieder Punkte in der Arbeit, wo es nicht weitergeht. Innere Sperren. Die Augen weigern sich, weiter zu sehen, Arm und Kopf wollen nicht mehr. Manchmal ist es überwindbar, manchmal braucht man Abstand, und es ist besser, am nächsten Tag weiter zu machen. Mit frischer Kraft und frischem Blick. Frühmorgens.
Manchmal arbeite ich bis abends an der Staffelei. Wenn dort nichts mehr geht, lockt nachmittags vielleicht noch die Sonne zu einer Skizze draußen. Vielleicht ziehe ich nochmal mit dem Fotoapparat los? Oder könnte ich mich am Tisch einer eher stillen und meditativen Zeichnung widmen? Oft schaue ich, dass ich dann meine Büro-Arbeit mache. Z.B. mich um Nachfolgeprojekte nach Albstadt kümmern oder meine Homepage aktualisieren oder einen Blogbeitrag schreiben oder… Auch für Besuchstermine ist der Nachmittag wunderbar.
Ca. 6 Wochen habe ich für meine Arbeit in den Stadtteilen nun noch. Kostbare Zeit, die mir noch bleibt! Und doch ist das so eine Sache mit der Inspiration: Erzwingen kann man sie nicht. Man kann sich zwingen, handwerklich zu arbeiten, mitunter kommt die Inspiration dann auch hinzu. Mitunter verleiht auch der Zeitdruck Inspirations-Flügel. Aber er kann genauso gut lähmen. Panik hilft da nicht, es gilt: Ruhe bewahren und sich sagen: Was geht, geht. Und: Ich bin keine Maschine.