Dorfgeschichten

Albstadts Stadtteil Truchtelfingen ist kleiner, als ich zuvor beim Durchfahren den Eindruck hatte. Er hat sich viel Dorf-Charakter bewahrt. Ganz anders als die beiden Stadtteile, in denen ich bisher gearbeitet habe.

Es ist leicht, mit Einheimischen ins Gespräch zu kommen, wenn ich mit Hund unterwegs bin. Und wenn ich erzähle, dass ich ein Kunstprojekt zum Ort mache und mich deshalb dafür interessiere.

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Kleine Mini-Geschichten ergeben sich: Das Werksgebäude sehe ich jeden Tag am Ende meines Spazierweges. Seine schlichte, sandfarbene Architektur mit den überraschend großzügigen umlaufenden Balkonen fällt mir auf. Meine erste Schätzung: 50er Jahre, oder doch eher schon 30er? Ich frage mich, was dort hergestellt wird, und ich frage das dann auch die 2 Männer, die einmal hinten im Hof stehen, Betreten verboten: „Entschuldigung, darf ich Sie mal was fragen?“ „Klar! Bloß, ob Sie eine Antwort kriegen…“ Scherz! „Was wird denn hier hergestellt?“ „Pestizide.“ Ein Mann zeigt eine Sprühflasche. „Das hier zum Beispiel ist gegen Bettwanzen“. „Ach! Krass! Gibt’s denn sowas heutzutage überhaupt noch?“ wundere ich mich.

In der Betonfirma frage ich – das sollte man ja – ob ich fotographieren darf, stelle mich und mein Projekt vor, erzähle von meinem Interesse  für Alltagsorte, Industrie, für Maschinen, auch gerne mit Rost. Nun wundert sich der freundliche Mitarbeiter, er telefoniert, wir warten auf Rückruf, er erzählt mir zwischendurch vom Auf und Ab im Betongewerbe, 53 Jahre ist der Betrieb alt, und dann bekomme ich die Erlaubnis. Ich freue mich an einer alten Presse mit zerbrochenen Uhrengläsern, an rostigen Treppen und der himmelblauen Zapfsäule. Im Atelier male ich den großen Aufbau im Zentrum des Betriebes. Mit erstem Frühlingsgrün, das daraus sprießt.

Es gibt auch hier Textiles: In der Firma für Alles rund um’s Schaf bekomme ich Seife geschenkt und darf bei einer kleinen Führung eine „Stoffsäge“ fotographieren. Ja, sie sieht aus wie eine Bandsäge, ist aber für dicken Walkstoff.

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Umstanden von u-förmig angeordneten alten Häusern mit Gärten und Schuppen, sogar mit 2 „griechischen Säulen“, befindet sich eine Wiese mit 2 Fußballtoren. Sie wirkt wie aus einer vergangenen Welt. Ich sehe Kinder vor mir, die schon seit Urzeiten dort Fußball spielen, mit aufgeschürften Knien. Aber dort waren früher Hanf- und Leinengärten, höre ich.

Da ist ein kleines altes Haus mit Scheune an der Straßenecke bei den stillgelegten Bahngleisen. Ein Garten mit Zaun, alles schön gepflegt, an der Ecke ein Baum in Blütenpracht, es verzaubert mich. Es steht leer. Davor Bauarbeiter. Ich frage einen, ob ihm das Haus gehöre, erfahre, dass es der Stadt gehört, und dass es wohl abgerissen wird. Das macht mich traurig.

Ich treffe eine Spaziergängerin mit Hund. Erzähle von meinem Projekt und meinen bisherigen Eindrücken. Sie sagt: „In Ebingen haben sie jetzt echt was gemacht! Das find ich schon gut. Dass wir da jetzt C&A haben und so. Das gab’s nicht, als wir Kinder waren. Man will sowas ja schon gern.“

Eine andere Spaziergängerin zeigt mir, dass da unten ein Fuchs wohnt, und dort drüben würden zur Zeit immer 3 Eichhörnchenjunge spielen.

Hinter Garagen, zwischen Beton und Stein, weht eine Fahne schwarzweißrot: „Deutschland Meine Heimat“. Mit großer Wahrscheinlichkeit versteht der Fahnenhisser unter Heimat etwas völlig anderes als ich.

Mein erstes Bild, das ich hier gemalt habe, zeigt die alte leerstehende Metzgerei Furch und das Häuschen daneben mit den Blechschindeln. Das Ensemble hatte schon auf früheren Durchfahrten immer meinen Blick auf sich gezogen. Was mögen für Geschichten in ihm stecken?“

Truchtelfingen-Atelier