Offenes Atelier in Burgfelden

Nun sind die 4 Wochen in Albstadt-Burgfelden schon wieder fast vorbei. Zum Abschluss meines Arbeitsaufenthaltes dort, lade ich herzlich zum Offenen Atelier ein!

Am Samstag, den 23. 7., zwischen 14 und 18 Uhr kann man meine neuen Arbeiten in meinem temporären Atelier im Haus “Zum Bergcafé“ betrachten und mit mir darüber ins Gespräch kommen. Eva Wedel und ich freuen uns auf Ihren Besuch!

Am 25. 7. breche ich meine Zelte dort ab.

Ab Mitte August geht es dann in Onstmettingen weiter, wo ich in der ehemaligen Bücherei gastieren darf.

Überlegungen zum Landschaftsbild

Ebingen-altes-Haus-2Da das Projekt AlbStadtAlb in Kooperation mit dem Kunstmuseum Albstadt läuft, tausche ich mich natürlich mit Jeannette Brabenetz und Dr. Mertens immer wieder darüber aus. Vor einiger Zeit ging es um die Frage, ob meine Beschäftigung mit Innenräumen Teil des Sujets „Landschaftsbild der Schwäbischen Alb“, das ja ein Schwerpunkt des Museums ist, sein könne oder nicht. Ohne der späteren Aufgabe des Kuratierens vorgreifen zu wollen, habe ich mir hierzu ein paar Gedanken gemacht. Solche Reflektionen sind für mich auch Teil der künstlerischen Arbeit:

Was gehört zu einem Landschaftsbild?

Wiesen, Felder, Berge, Bäume, Himmel, Wolken, Gewässer, Wald, Jahreszeiten.

Tiere. Häuser. Menschen, die herumlaufen oder stehen und schauen, Picknick machen, auf Pferdewagen fahren, ernten, sähen.

Hirten auf dem Felde, Krippenlandschaft, Flucht nach Ägypten. Daphne wird zum Baum. Felsen, ein röhrender Hirsch? Wellen, ein Schiff in Seenot? Highways, Motels, Autos, Schilder, endlose Weite, Müll, eine rostige Zapfsäule.

Es gibt Körperlandschaften, wo die Kurven und Höhlen des menschlichen Körpers Berge und Täler bilden. Märchenlandschaften. Wo ein Pilz ein Haus ist.

Man spricht mitunter von Seelenlandschaften. Diese könnte man mit Farben darstellen, mit offenen oder geschlossenen Formen, mit verschlungenen oder geraden Linien, erregten Pinselstrichen, starken Helldunkel-Kontrasten, grauen Nebelschleiern…

Textilfabrik-FensterManche stellen Landschaften mit den Dingen dar, die in ihnen vorkommen, wie z.B. Daniel Bräg mit Äpfeln und Zweigen in Kühlschränken die Streuobstwiesen Süddeutschlands (finde ich klasse!). Landschaften aus Müll oder gehäkelt. Ein leerer Rahmen in die Landschaft gestellt, durch den man verschiedene Landschaftsausschnitte betrachten kann.

In Landschaften gibt es Höhlen. Sie sind verborgen in der Erde oder im Fels. Ist ein Bild von einer Höhle ein Landschaftsbild? Ein unterirdischer See? Unterwasserlandschaften. Was ist mit den Gängen von Wühlmäusen, Kohleminen, Schnitten durch Erdschichten?

Seit der Moderne gibt es natürlich das Sujet der Stadtlandschaft. Hier stehen Gebäude und Straßen im Mittelpunkt, mit Allem, was dazugehört.

Tailfingen-No-Eis Tailfingen-Eiscafe

Was ist hinter den Mauern der Häuser? Was ist hinter einer offenen Tür, hinter einem geschlossenen Fenster? Hört die Landschaft dort auf? Oder geht sie nicht vielmehr auf einer anderen Ebene weiter?

Der Tisch draußen im Straßencafé, der Tisch drinnen in der Küche. Der Teller auf dem Tisch. Die Satellitenschüssel an der Hauswand. Das Kabel geht durch die Wand ins Innere zum Fernseher. Der Vorhang, der aus dem Fenster weht.

Eine Mauer, eine Haut, die innen und außen zugleich trennt und verbindet. Kann ich ein Haus ohne Innen denken? Oder ohne Außen? Macht nicht jede Mauer neugierig auf das Dahinter, jedes Fenster neugierig auf einen Einblick? Oder Ausblick?

Bei Abrissen tritt eine Verbindung von Innen und Außen (schmerzhaft) klar zu Tage. Das Interieur zeigt sich ungeschützt, verletzlich.

Albstadt-SchlafzimmerSeit ich mich mit dem Thema Stadtraum beschäftige, habe ich immer auch ins Innere geschaut. Durch Schaufenster, durch staubige Fenster leerstehender Häuser, manchmal durch offene Türen oder Löcher in der Mauer, durch die ich dann eingetreten bin, um die andere Seite zu erforschen. Das Innere der Stadtlandschaft. Die Eingeweide des röhrenden Hirsches. Das Kerngehäuse des Apfels.

Immer auf der Suche bleiben

Künstlerische Arbeit ist immer wieder von Auf und Ab bestimmt. Bei mir auch.

Ich bin mal wieder festgesteckt, festgefahren gewesen in meinem Atelier.

Zu viele hemmende Gedanken: Wo ist der Rote Faden? Was ist wichtig? Wie werde ich dem Ort gerecht? Seinen BewohnerInnen gar?

Ein großes angefangenes Landschaftsbild genervt weggestellt. Für das Bild vom Dorfladen endlich einen spannenden Blickwinkel gefunden, es in mühsamer Arbeit beendet, aber viel zu brav, fand ich.

Burgfelden-Dorfladen-1-Ausschnitt Burgfelden-Dorfladen-2-Ausschnitt

Zwei Sachen halfen mir weiter: Das Gespräch mit meiner Schwester, die mich besucht hat. Sie ist auch Künstlerin, und wir können wunderbar miteinander reden. „Du warst schon freier in deiner Arbeit“, sagte sie. Und ich wusste, das stimmt. Wir sprachen über Erwartungen von außen und Zwänge, die wir uns selber auferlegen, die uns blockieren. Sie machte mir Mut, diese Blockaden zu durchbrechen. Das andere war ein Projekt, an dem ich mich beteilige: Künstlerische Dialoge zwischen Menschen mit und ohne geistige Behinderung. Die Kunst von Menschen mit geistigen Behinderungen finde ich immer wieder total spannend und bereichernd! Das Bild einer Frau, das ich mir für meinen Dialog ausgesucht habe, stellt Häuser dar, auf eine wunderbar schlichte Weise gemalt: Hauswände, Fenster, Dächer und der Hintergrund sind einfache, aber lebendig gemalte farbige Flächen, die gleichberechtigt nebeneinander stehen. Von diesem Bild inspiriert, habe ich den Dorfladen samt Zaun ein zweites Mal gemalt, es hat großen Spaß gemacht! Ohne zu denken, wie passt das z.B. zu den anderen schon gemalten Bildern, einfach machen, genießerisch, kindlich, frei.

Das Bild fällt aus dem Rahmen neben meinen bisherigen Albstadt-Bildern, aber ich mag es gerne.

Die Frage ist ja auch: was ist der Rahmen? Wie eng stecke ich ihn? Will ich mich einengen lassen? Und es ist nicht so, dass ich noch nie in dieser Richtung gemalt hätte. Auf der Suche nach Abstraktionsmöglichkeiten haben mich z.B. schon sehr lange immer wieder auch Kinderbilder inspiriert. Aber ich vergesse es auch immer wieder, verrenne mich in alten Naturalismus- oder sonstigen Mustern. Und dann fehlt die Traute für einen radikalen Bruch, zumal mitten in einem Projekt: „ich kann doch nicht plötzlich…“ Doch, ich muss, sonst bleibe ich stehen!

Auch das nächste Bild, das viel kompliziertere Motiv eines „Kreiselheiers“ in einem Hallentor, habe ich sehr enthusiastisch gemalt, mit aus obiger Erfahrung schöpfend. Endlich ist sie wieder da, die Schaffensfreude, die ich vermisst hatte! Ich finde das Bild gelungen, lebendig. Doch schon das darauffolgende Bild, das ich mir vornehme, funktioniert nicht, wie ich gehofft hatte. Ein 70er-Jahre Einfamilienhaus, dunkelbraun-weiß, mit einem bunten Sonnenschirm auf der Terrasse. Das Bild, das ich davon male, wirkt wie eine 70er Jahre-Illustration. Das passt zwar, ist aber irgendwie nicht meins. Erstmal wieder Frust.

Nun heißt es: weiter suchen. Auf Eingebungen hoffen. Anderes Motiv? Welchen Blick auf das Motiv wähle ich? Und wie setze ich es um? Jede Ecke, jedes Gebäude hat seine eigene Ausstrahlung, die auf mich wirkt. Wie ich das eine male, kann ich das andere nicht unbedingt malen. Ich werde ihm sonst vielleicht nicht gerecht.

Wo der Rote Faden ist, merke ich immer wieder, sollte ich nicht zu früh zu fest legen. Es grenzt aus, bremst meinen Ideenfluss. Weniger Denken, mehr nach dem Herz gehen, wohin zieht es mich, ist die Devise. Der Rote Faden zeigt sich irgendwann von selber.

Auch zuviel Ehrfurcht, z.B. vor Idyllen, kann hemmend wirken. Ich brauche für meine Arbeit Reibungen und Brüche. Es ist deshalb gut, länger an einem Ort zu sein, um seinen Alltag kennenzulernen. Denn jeder Ort hat sie, diese gewissen Stellen, die mich interessieren. Auch Burgfelden. Auch wenn man sie dort vielleicht mehr suchen, genauer hinschauen muss. Und sich mehr trauen muss, sie ins Bild zu setzen. Sie sind ja nichts Schlechtes, sie sind das Leben, sie gehören dazu. Das will ich ja zeigen. Wenn sich ein Roten Faden in den letzten Jahren herauskristallisiert hat, dann ist es vielleicht der, dass die Botschaft meiner Bilder ihre Alltäglichkeit ist.

Ich habe heute morgen den Schatten eines Baumes an einem Schuppen gesehen. Ein Motiv, das in seiner Schlichtheit schön ist. Vielleicht werde ich ihn als nächstes malen? Wie? Das werde ich sehen, wenn ich es tue.

Draußen Skizzieren

Albstadt-Burgfelden-Gewitterstimmung

Gestern habe ich den ganzen Tag draußen skizziert.

Morgens früh die alten Kiefern am Böllat. Mein täglicher Spaziergang zum Böllat ist fast so schön wie der Gang zum Meer, als ich noch im Norden gewohnt habe. Auch so eine Weite, so eine Ruhe, dabei ein Gefühl von Ursprünglichkeit und Ewigkeit, auch wenn unten Orte und Straßen zu sehen sind. Das Rauschen des Windes in den Kiefern erinnert mich an das Rauschen des Meeres.

Klassische Landschaftsmotive:

Ein schattiger Weg mit Lichtflecken mit Rötel gezeichnet.

Eine Hommage an Fritz Wedel, von dem ein sehr schönes Ölbild in meinem derzeitigen Schlafzimmer hängt: ich male mit Ölkreide den gleichen Blickwinkel links vom Böllat geschaut.

Eine Reihe alter Apfelbäume mit Schildchen und Holzstangen auf frisch gemähter Wiese.

Mein gestriges Lieblingsmotiv: eine Reihe alter, runder Heuballen, versteckt zwischen Gebüsch. Nicht ganz so klassisch. Ich freue mich an den dunklen, runden Formen und dem helldunkelflirrenden Grün drum herum.

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Skizzensammlung im Atelier (oben an der Wand ein Bild von Hans Dieter Wedel)

Wie eine Mahnung dann noch ein kaputter, in den Himmel ragender Zaun am Feldrand.

Mehrere Begegnungen und Gespräche mit SpaziergängerInnen aus dem Ort. Eine Wiederbegegnung mit einer Frau aus Tailfingen.

Beim späten Abendspaziergang habe ich keine Malsachen dabei. Die untergehende Sonne zaubert Gold zwischen das Laub der Bäume, dass ich es kaum glauben kann! Ich stehe da, zähle die Farben auf und wohin sie kommen, und male es aus der Erinnerung im Atelier.

Heute morgen um 6:00 zieht es mich wieder hinaus: auf den Wiesen liegt das gemähte Heu in langen Linien. Ich liebe es, wie diese Linien die Kurven der Landschaft nachziehen und bereichern. Der Jugendstil, von dem ich sehr viel halte, ist plötzlich ganz nah.

Ein bisschen aus der Welt

Hier oben habe ich kein Netz für mein Handy. Oder nur beim Spazierengehen mal.

Ich finde das schön, wenn nicht überall Alles jederzeit zu haben ist. Dass es das Unperfekte gibt nach wie vor, trotz aller Versuche, es den Menschen so bequem wie möglich zu machen.

Wenn mich Menschen hier besuchen wollen, ist es schwierig, sich vorher anzumelden. Die in der Zeitung genannte Handynummer ist nicht zu erreichen. Da hilft nur: Einfach vorbeikommen, den Berg erklimmen und hoffen, dass ich da bin.

OK, zur Not könnte man im „Zum Bergcafé“ anrufen. Oder eine Mail schreiben, einmal täglich bearbeite ich meine Mails, das funktioniert. Dienstags ab mittags bis mittwochs spät abends bin ich grundsätzlich nicht vor Ort.

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Arbeit am „Alten Schulhaus“ im Atelier in Burgfelden (mit im Bild Arbeiten von Fritz und Hans Dieter Wedel)

Ich habe hier als erstes das Alte Schulhaus gemalt. Ein richtig schönes Motiv im klassischen Sinne: verwitterte Holzschindeln, ein alter Baum davor, bunte Blumen. Ich musste es einfach malen. Hier wimmelt es von Postkarten-Idyllen. Es ist eine Herausforderung, auch hier den etwas anderen Blickwinkel zu finden, der doch mein Thema ist. Der Ort soll ja in seiner Stimmung erkennbar bleiben. Ich möchte ja nicht eine urbane Sicht auf diesen Ort „herunterbrechen“, wie es früher einmal in einem Zeitungsartikel geschrieben stand (dem ich übrigens damals auch nicht zustimmen konnte, was mir aber als Mahnung durchaus im Gedächtnis ist). Lösungen können sein: eine ungewöhnliche Sicht auf ein Gebäude/eine Ecke zu wählen, mehr auf Detailsuche zu gehen oder auch menschliche Spuren in der hier nochmal besonders präsenten Landschaft darzustellen. Wir werden sehen, wohin mein Schaffen mich an diesem Ort noch führt.