Überlegungen zum Landschaftsbild

Ebingen-altes-Haus-2Da das Projekt AlbStadtAlb in Kooperation mit dem Kunstmuseum Albstadt läuft, tausche ich mich natürlich mit Jeannette Brabenetz und Dr. Mertens immer wieder darüber aus. Vor einiger Zeit ging es um die Frage, ob meine Beschäftigung mit Innenräumen Teil des Sujets „Landschaftsbild der Schwäbischen Alb“, das ja ein Schwerpunkt des Museums ist, sein könne oder nicht. Ohne der späteren Aufgabe des Kuratierens vorgreifen zu wollen, habe ich mir hierzu ein paar Gedanken gemacht. Solche Reflektionen sind für mich auch Teil der künstlerischen Arbeit:

Was gehört zu einem Landschaftsbild?

Wiesen, Felder, Berge, Bäume, Himmel, Wolken, Gewässer, Wald, Jahreszeiten.

Tiere. Häuser. Menschen, die herumlaufen oder stehen und schauen, Picknick machen, auf Pferdewagen fahren, ernten, sähen.

Hirten auf dem Felde, Krippenlandschaft, Flucht nach Ägypten. Daphne wird zum Baum. Felsen, ein röhrender Hirsch? Wellen, ein Schiff in Seenot? Highways, Motels, Autos, Schilder, endlose Weite, Müll, eine rostige Zapfsäule.

Es gibt Körperlandschaften, wo die Kurven und Höhlen des menschlichen Körpers Berge und Täler bilden. Märchenlandschaften. Wo ein Pilz ein Haus ist.

Man spricht mitunter von Seelenlandschaften. Diese könnte man mit Farben darstellen, mit offenen oder geschlossenen Formen, mit verschlungenen oder geraden Linien, erregten Pinselstrichen, starken Helldunkel-Kontrasten, grauen Nebelschleiern…

Textilfabrik-FensterManche stellen Landschaften mit den Dingen dar, die in ihnen vorkommen, wie z.B. Daniel Bräg mit Äpfeln und Zweigen in Kühlschränken die Streuobstwiesen Süddeutschlands (finde ich klasse!). Landschaften aus Müll oder gehäkelt. Ein leerer Rahmen in die Landschaft gestellt, durch den man verschiedene Landschaftsausschnitte betrachten kann.

In Landschaften gibt es Höhlen. Sie sind verborgen in der Erde oder im Fels. Ist ein Bild von einer Höhle ein Landschaftsbild? Ein unterirdischer See? Unterwasserlandschaften. Was ist mit den Gängen von Wühlmäusen, Kohleminen, Schnitten durch Erdschichten?

Seit der Moderne gibt es natürlich das Sujet der Stadtlandschaft. Hier stehen Gebäude und Straßen im Mittelpunkt, mit Allem, was dazugehört.

Tailfingen-No-Eis Tailfingen-Eiscafe

Was ist hinter den Mauern der Häuser? Was ist hinter einer offenen Tür, hinter einem geschlossenen Fenster? Hört die Landschaft dort auf? Oder geht sie nicht vielmehr auf einer anderen Ebene weiter?

Der Tisch draußen im Straßencafé, der Tisch drinnen in der Küche. Der Teller auf dem Tisch. Die Satellitenschüssel an der Hauswand. Das Kabel geht durch die Wand ins Innere zum Fernseher. Der Vorhang, der aus dem Fenster weht.

Eine Mauer, eine Haut, die innen und außen zugleich trennt und verbindet. Kann ich ein Haus ohne Innen denken? Oder ohne Außen? Macht nicht jede Mauer neugierig auf das Dahinter, jedes Fenster neugierig auf einen Einblick? Oder Ausblick?

Bei Abrissen tritt eine Verbindung von Innen und Außen (schmerzhaft) klar zu Tage. Das Interieur zeigt sich ungeschützt, verletzlich.

Albstadt-SchlafzimmerSeit ich mich mit dem Thema Stadtraum beschäftige, habe ich immer auch ins Innere geschaut. Durch Schaufenster, durch staubige Fenster leerstehender Häuser, manchmal durch offene Türen oder Löcher in der Mauer, durch die ich dann eingetreten bin, um die andere Seite zu erforschen. Das Innere der Stadtlandschaft. Die Eingeweide des röhrenden Hirsches. Das Kerngehäuse des Apfels.