Kalt ist es mittlerweile geworden zum draußen Skizzieren und nass war meine erste Fototour. Ständig musste ich die Linse trocknen. Aber der Regen passt zum Motiv meines ersten Pfeffingen-Bildes, an dem ich gerade arbeite: Es zeigt ein kleines leerstehende Doppelhaus, direkt neben dem Amigo Industriepark. Der Regen hebt die Kontraste hervor, macht Dunkles noch dunkler, verstärkt die Tristesse. Ich betone sie wiederum mittels Brauntönen aller Art und dicken, harschen Bleistiftstrichen. Aber auch die einst liebevoll angebrachten Details wie die ungewöhnlichen Treppengeländer und die alte verschrammte Holztür mit ihren Füllungen sind mir wichtig. Indem ich das Motiv mit verschiedenen Mal- und Zeichenmaterialien in viele kleine und große Flächen und Linien-Abschnitte auffasere, versuche ich den Zerfall darzustellen. Solches abstrahierendes Arbeiten passiert in einem Zustand gemischt aus hoher Konzentration und einer Art inneren Neben Mir Stehens. Zufälle und bewusstes Spiel mit den Elementen, Aktion und Reaktion wechseln sich ab. Wenn die Balance gelingt, entsteht ein gutes Bild. Und dann ist es seltsamerweise so, als wäre es immer schon dagewesen.
Bei Amigo traf ich dessen Besitzer, Herrn Heinz Ammann. Als er hörte, was ich da mit meinem Fotoapparat mache, erklärte er sich sofort bereit, mich in den Räumlichkeiten herum zu führen. Er erzählte mir von seiner Arbeit in der Insolvenzverwaltung für viele der konkursgegangenen Textilbetriebe Albstadts. Ich sah unglaubliche Berge von Akten zu den entsprechenden Vorgängen, bereit für die nun fällige Entsorgung. Ein leeres, noch eingerichtetes Büro. Hörte Geschichten über die eigene Firma, die nicht konkurs ging, weil er die Produktion rechtzeitig stilllegte, so sagte er mir. Trotzdem war es hart. Er ist froh, dass er das Gebäude bewahren konnte. Er vermietet es nun an verschiedene Parteien. Erneut erhielt ich Einblick in ein geballtes Stück Stadtgeschichte. Diese Aktenberge – wieviele Schicksale sind damit verbunden…
Und doch ist sie immer noch präsent, die Arbeit im Textil-Bereich. Ich treffe immer wieder Leute, die nach wie vor dort arbeiten. Ganz verschiedene Leute in ganz verschiedenen Unternehmen. Von einigen habe ich bereits erzählt. Jetzt in Pfeffingen: „Autositzfelle nach Maß“, steht auf einem Schild. Der kleine Ein-Mann-Betrieb ist hinterm Haus, ich bin neugierig und trete ein. Auch z.B. Fellschuhe und Häs für Narrenzünfte werden dort v.a. aus Schafsfell zugeschnitten und genäht, erfahre ich bei einem netten Gespräch. 40 Jahre ist er nun im Geschäft. Aber ewig wird es das aus Altersgründen nicht mehr geben. Deswegen wird auch nicht mehr renoviert. Das freut wiederum mein Künstler-Auge.
Jedem, der durch Pfeffingen fährt, fällt wohl ein Haus ganz besonders auf. Es ist über und über mit kunstvoll ausgesägten Holz-Verzierungen bestückt, dabei aber nie ganz fertig geworden, Spanplatten befinden sich nackt dazwischen. Ein wenig unheimlich sieht es aus, erst recht bei dem dunklen Wetter, das Holz fast schwarz, ragt das Haus wuchtig in den grauen Himmel auf. Ein bisschen ein Stoff für Gruselgeschichten, denke ich. Ich traue mich dennoch in die dahinterliegende gemütlich aussehende Zimmermannswerkstatt. Die anwesenden Männer sind freundlich und lassen mich Maschinen und Handwerker-Alltagsecken fotografieren.