Motive, Stimmungen, Bildgestaltung, Bildbetrachtung

Und da wurde das folgende Bild doch wieder ganz anders…

Im letzten Blog-Beitrag schrieb ich noch über das Wütendsein, das sich mitunter positiv auf die Bildgestaltung auswirkt. Ja, das ist so. Und doch kann es im nächsten Bild wieder ganz anders sein. Das liegt am Motiv. Das neue Motiv, das ich wählte, war alleine schon durch die Komposition ganz anders. Natürlich kann ich die Komposition selber bestimmen. Schon beim Fotographieren kann ich ein Bild beispielsweise in Schrägansicht oder frontal aufnehmen, was eine völlig andere Wirkung erzeugt. Schräge Linien erzeugen Unruhe im Bild. Gerade Linien, besonders wagerechte, erzeugen Ruhe. Worauf kommt es mir bei der Umsetzung ins Bild an, dementsprechend gestalte ich die Komposition.

Beim vorigen Motiv handelte es sich um eine Anhäufung von Eindrücken: Gerümpelstapel, ein Schlepper dazwischen, Bäume und Büsche in verschiedenen Herbstfarben, Hausgiebel und Dächer. Ich habe es bewusst bildfüllend mit vielen Anschnitten fotografiert, weil es mir, als ich es sah, Lust auf das Spiel mit Formen und Farben und auf das Abstrahieren des Gesehenen machte. Dementsprechend setzte ich es dann auch ziemlich wild ins Bild um.

albstadt-zapfsaeuleDas neue Motiv hatte ich mehrmals von verschiedenen Blickwinkeln fotografiert, noch unentschlossen wegen der späteren Umsetzung. Fest stand, dass mein Hauptinteresse einem Detail galt: Einer wunderschönen alten Zapfsäule. Seit ich als Kind im Wirkungskreis meines Vaters eine Ausstellung mit frühen Arbeiten von Günter Malchow sah, wo er hyperrealistisch rostige Details von Zapfsäulen ins Bild setzte, schlummern diese eindrücklich in meinem Gedächtnis samt dem Wunsch, einmal auch etwas in dieser Richtung zu machen. Das spielte sicher auch bei meiner jetzigen Motivwahl mit, auch wenn die Umsetzung denn doch eine völlig andere ist. Das nur nebenbei bemerkt. Jedenfalls hatte es mir diese Zapfsäule angetan und ich musste nun überlegen, wie ich ihre Wirkung am Besten zur Geltung bringe. Wichtig war mir, nicht nur die Zapfsäule, sondern auch die Umgebung mit darzustellen, die auf mich eine nüchterne, eintönige Wirkung hatte.

Also ruhige Bildstimmung. Die Dynamik der Schräge schloss ich beim Betrachten meiner Fotos aus, weil sie gegen diese Stimmung gespielt hätte und außerdem zu sehr vom Objekt meiner Begierde abgelenkt hätte. Abgesehen davon, dass es langweilt, immer nur Schrägansichten darzustellen. Die Farbpalette des vorigen Bildes ist sehr bunt, beim neuen Bild ist sie viel reduzierter, mit nur wenigen Akzenten. Auch das fördert eine ruhige Ausstrahlung. Beim Malen wurde mir dann auch ziemlich schnell klar, dass ich mich mit der Expressivität zurückhalten muss. Diese Zapfsäule ist für mich so schön, dass ich sie klar und deutlich und mit Details zeigen will. Keine wilden Pinselstriche, die das verdecken. Die Umgebung muss in der Malweise entsprechend angepasst werden. Es ist kein Fotorealismus, nach wie vor ist es ein Spiel mit verschiedenen Materialien, aber subtiler und feiner. Das Dach des Gebäudes, vor dem die Zapfsäule steht, hat nicht ins kleinste Detail ausgearbeitete, aber doch deutlich nachempfundene Ziegel, statt z.B. einfach Längslinien oder gar keine Struktur, oder dass es womöglich aus Wellpappe aufgeklebt worden wäre, wie in anderen Bildern von mir. Die Zapfsäule, um die es im Bild geht, ist genauer ausgearbeitet als der Rest, aber sie fällt nicht heraus. Sie ist der Star, für den seine Umgebung besteht, deren Teil sie aber auch ist.

Später bemerke ich noch: Man schaut hinter der Zapfsäule gegen eine Wand. Im Gegensatz zum vorherigen Bild, wo sich all die vielen abgebildeten Dinge räumlich staffeln bis zu einem fernen Berg, zu dem man hinspazieren könnte, wenn man es zwischen all dem Geraffel und den verwinkelten Häusern hindurch schafft. Da könnte man jetzt philosophisch werden und überlegen, dass zuviel Ruhe gegen eine Wand führen könnte und Fortkommen und Entwicklung verhindert. Während man dynamisch es schaffen kann, sich zwischen all den Dingen, die im Weg stehen hindurch zu kämpfen, bis man schließlich in neue, zuerst noch nicht sichtbare Räume gelangt. Ja, auch auf solche Gedanken könnte man bei längeren Bildbetrachtungen kommen, ich selber sehe diese dritte Ebene oft erst, wenn mein Bild fertig ist. Das ist vielleicht auch besser so, vielleicht würde es sonst zu plakativ, wenn ich gleich mit einer solchen Zielsetzung an die Arbeit gehen würde. So ist es eine Möglichkeit der Interpretation, andere sehen/fühlen vielleicht etwas ganz anderes bei der Bildbetrachtung.

Kostbare Arbeitszeit

Gleich morgens früh muss es für mich an die Arbeit gehen, da habe ich die meiste Energie. Ich schaue möglichst, dass es klappt, dass ich nach dem Spaziergang mit meinem Hund und einem kleinen Frühstück an der Staffelei loslegen kann. Manchmal kommen andere Dinge dazwischen, wie ebenfalls dringende Büro-Arbeit, Telefonate u.ä., nebenher muss ich vielleicht auch erst den Malgrund vorbereiten, dreimaliger Anstrich + Trocknungszeiten. Wenn ich zu lange nicht ans Malen komme, werde ich unleidig. Und wenn ich den Morgen verpasse, ist oft die Luft raus.

Letztens kam auch eins zum anderen, ich wollte ein neues Bild beginnen, es wurde immer später und als ich dann endlich anfangen konnte, merkte ich, die ganze Energie, Lust und Inspiration ist ffft – weg! Ich war richtig sauer. Jeder Tag zählt für mein Projekt, so viele sind es ja nicht mehr, also habe ich mich gezwungen, trotzdem zu malen. Es war eher ein wütendes Rotzen mit albstadt-bilddetail-2der Farbe und dem Stift. Es schadete aber nicht, merkte ich, denn so kam mir überhaupt nicht der Gedanke, mich zu sehr mit Details zu beschäftigen & mich darin zu verlieren, wie das manchmal vorkommt. Ich wechselte zwischen den Materialien ohne groß zu überlegen hin und her, arbeitete großflächig und expressiv. Und merkte, dass ich langsam Spaß daran fand. Ich sagte mir, ich schaffe jetzt die Grundlage für das Bild, und wenn ich nächstes Mal weitermache, kann ich darauf dann aufbauen. Diese Grundlage, das erste Anlegen des Bildes in seiner Gänze ist mitunter zäh. Wenn ich das dann habe und es ans Ausarbeiten geht, macht es viel mehr Freude. Die Grundlage darf albstadt-bilddetailnicht zu brav sein, sonst wirkt sich das auf das Gesamtbild entsprechend aus. Beim Ausarbeiten ist es schön, wenn es im Bild schon viele spannende, freie Ansätze gibt, die Lust machen, sie weiter zu verfolgen. Deshalb ist es nicht schlecht, den Anfang in wütender Stimmung zu machen, das habe ich schon öfter festgestellt.

Am Ende der ersten Arbeitsphase war ich schon ganz zufrieden mit dem oberen Bildteil, ein zentrales Bildelement fand ich völlig daneben, der untere Bildteil war noch fast leer. Weiter ging es erstmal nicht. Am nächsten Tag bin ich frühzeitig ans Werk gegangen, und konnte so gelassen und freudig auf dem Angefangenen aufbauen. Fertig ist das Bild noch nicht. Es gibt immer wieder Punkte in der Arbeit, wo es nicht weitergeht. Innere Sperren. Die Augen weigern sich, weiter zu sehen, Arm und Kopf wollen nicht mehr. Manchmal ist es überwindbar, manchmal braucht man Abstand, und es ist besser, am nächsten Tag weiter zu machen. Mit frischer Kraft und frischem Blick. Frühmorgens.

Manchmal arbeite ich bis abends an der Staffelei. Wenn dort nichts mehr geht, lockt nachmittags vielleicht noch die Sonne zu einer Skizze draußen. Vielleicht ziehe ich nochmal mit dem Fotoapparat los? Oder könnte ich mich am Tisch einer eher stillen und meditativen Zeichnung widmen? Oft schaue ich, dass ich dann meine Büro-Arbeit mache. Z.B. mich um Nachfolgeprojekte nach Albstadt kümmern oder meine Homepage aktualisieren oder einen Blogbeitrag schreiben oder… Auch für Besuchstermine ist der Nachmittag wunderbar.

Ca. 6 Wochen habe ich für meine Arbeit in den Stadtteilen nun noch. Kostbare Zeit, die mir noch bleibt! Und doch ist das so eine Sache mit der Inspiration: Erzwingen kann man sie nicht. Man kann sich zwingen, handwerklich zu arbeiten, mitunter kommt die Inspiration dann auch hinzu. Mitunter verleiht auch der Zeitdruck Inspirations-Flügel. Aber er kann genauso gut lähmen. Panik hilft da nicht, es gilt: Ruhe bewahren und sich sagen: Was geht, geht. Und: Ich bin keine Maschine.

In Pfeffingen unterwegs

Kalt ist es mittlerweile geworden zum draußen Skizzieren und nass war meine erste Fototour. Ständig musste ich die Linse trocknen. Aber der Regen passt zum Motiv meines ersten Pfeffingen-Bildes, an dem ich gerade arbeite: Es zeigt ein kleines leerstehende Doppelhaus, direkt neben dem Amigo Industriepark. Der Regen hebt die Kontraste hervor, macht Dunkles noch dunkler, verstärkt die Tristesse. Ich betone sie wiederum mittels Brauntönen aller Art und dicken, harschen Bleistiftstrichen. Aber auch die einst liebevoll angebrachten Details wie die ungewöhnlichen Treppengeländer und die alte verschrammte Holztür mit ihren Füllungen sind mir wichtig. Indem ich das Motiv mit verschiedenen Mal- und Zeichenmaterialien in viele kleine und große Flächen und Linien-Abschnitte auffasere, versuche ich den Zerfall darzustellen. Solches abstrahierendes Arbeiten passiert in einem Zustand gemischt aus hoher Konzentration und einer Art inneren Neben Mir Stehens. Zufälle und bewusstes Spiel mit den Elementen, Aktion und Reaktion wechseln sich ab. Wenn die Balance gelingt, entsteht ein gutes Bild. Und dann ist es seltsamerweise so, als wäre es immer schon dagewesen.

albstadt-betet-arbeitetBei Amigo traf ich dessen Besitzer, Herrn Heinz Ammann. Als er hörte, was ich da mit meinem Fotoapparat mache, erklärte er sich sofort bereit, mich in den Räumlichkeiten herum zu führen. Er erzählte mir von seiner Arbeit in der Insolvenzverwaltung für viele der konkursgegangenen Textilbetriebe Albstadts. Ich sah unglaubliche Berge von Akten zu den entsprechenden Vorgängen,albstadt-buero bereit für die nun fällige Entsorgung. Ein leeres, noch eingerichtetes Büro. Hörte Geschichten über die eigene Firma, die nicht konkurs ging, weil er die Produktion rechtzeitig stilllegte, so sagte er mir. Trotzdem war es hart. Er ist froh, dass er das Gebäude bewahren konnte. Er vermietet es nun an verschiedene Parteien. Erneut erhielt ich Einblick in ein geballtes Stück Stadtgeschichte. Diese Aktenberge – wieviele Schicksale sind damit verbunden…

Und doch ist sie immer noch präsent, die Arbeit im Textil-Bereich. Ich treffe immer wieder Leute, die nach wie vor dort arbeiten. Ganz verschiedene Leute in ganz verschiedenen Unternehmen. Von einigen habe ich bereits erzählt. Jetzt in Pfeffingen: „Autositzfelle nach Maß“, steht auf einem Schild. Der kleine Ein-Mann-Betrieb ist hinterm Haus, ich bin neugierig und trete ein. Auch z.B. Fellschuhe und Häs für Narrenzünfte werden dort v.a. aus Schafsfell zugeschnitten und genäht, erfahre ich bei einem netten Gespräch. 40 Jahre ist er nun im Geschäft. Aber ewig wird es das aus Altersgründen nicht mehr geben. Deswegen wird auch nicht mehr renoviert. Das freut wiederum mein Künstler-Auge.

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Jedem, der durch Pfeffingen fährt, fällt wohl ein Haus ganz besonders auf. Es ist über und über mit kunstvoll ausgesägten Holz-Verzierungen bestückt, dabei aber nie ganz fertig geworden, Spanplatten befinden sich nackt dazwischen. Ein albstadt-zimmereiwenig unheimlich sieht es aus, erst recht bei dem dunklen Wetter, das Holz fast schwarz, ragt das Haus wuchtig in den grauen Himmel auf. Ein bisschen ein Stoff für Gruselgeschichten, denke ich. Ich traue mich dennoch in die dahinterliegende gemütlich aussehende Zimmermannswerkstatt. Die anwesenden Männer sind freundlich und lassen mich Maschinen und Handwerker-Alltagsecken fotografieren.

 

Weiter geht’s nach Pfeffingen

Am letzten Tag in Margrethausen habe ich noch eine Arbeit zum leerstehenden kleinen Laden im Schützen gemacht. Die Arbeit ist erstaunlich farbenfroh geworden, obschon ich zunächst eher etwas Wehmütigeres und Düstereres im Sinn hatte, schließlich steht dieser Laden schon sehr lange leer und hat eine dementsprechende Wirkung. Auch, muss ich sagen, denn er bezauberte mich andererseits durch seine 60er Jahre Altertümlichkeit, erinnerte mich, auch in seiner Winzigkeit, in der aber alles an Zubehör vorhanden ist, an Spiel-Kaufläden aus meiner Kindheit. Und dieses Gefühl hat in meiner heutigen Arbeit dann wohl die Oberhand gewonnen. Auf meinem Bild sieht es aus, als könne der Laden jederzeit wieder aufgemacht werden. Auch wenn man davon nicht ausgehen kann, ein hoffnungsvolles Bild.

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Albstadt-Margrethausen: Offenes Atelier mit Besucherinnen / Foto: Niels Carstensen

Mein Offenes Atelier war gut besucht, was mich natürlich gefreut hat. Es ist immer schön, den Arbeitsaufenthalt abzuschließen, indem ich nochmal mein Atelier schön herrichte, die entstandenen Arbeiten aufstelle/hänge und interessierten BesucherInnen, aber auch mir selbst präsentiere. Bevor dann alles zusammengepackt wird und ein neuer Abschnitt in meinem Projekt beginnt.

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Albstadt-Margrethausen: Offenes Atelier mit Veronika Mertens / Foto: Niels Carstensen

Heute bin ich also mit zufriedenem Gefühl weitergezogen nach Albstadt-Pfeffingen. Hier haben mich Jutta und Heribert Diebold in ihr Haus aufgenommen. Jutta Diebold hat den Blumenladen „Dorfblüte“ in der Bolstraße, den älteren der beiden Pfeffinger Blumenläden. Das Wohnhaus der Beiden, also auch mein neues Quartier, befindet sich in der Milanstraße. Wer sich für meine Arbeit interessiert, kann wie gehabt unter 0176-630 733 15 Kontakt zu mir aufnehmen. Ich bedanke mich sehr herzlich bei meinen Gastgebern! Und bin gespannt, was die kommenden 4 Wochen bringen werden!

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Mein neues temporäres Atelier in Pfeffingen

Offenes Atelier in Margrethausen

Auch zum Abschluss dieses Arbeitsaufenthaltes sind Sie am Samstag, den 15. 10., von 14 – 20 Uhr wieder herzlich eingeladen, meine neuesten Bilder anzuschauen und mit mir darüber ins Gespräch zu kommen!

Dieses wird ein Ereignis der besonderen Art, einerseits durch die Räumlichkeiten, in denen sich mein derzeitiges AlbStadtAlb-Atelier befindet: das „Juwel“ mit seiner sehenswerten Sammlung von Gebrauchtwaren aller Art, die es Freude macht, in der ehemaligen Fabrik zu durchwandern und zu durchstöbern.

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Diese Skizze machte ich beim letzten Konzert (Jan Reiser) im Juwel

Dazu kommt dann noch, dass am selben Tag ab 20 Uhr ein Konzert ebendort stattfinden wird:  Joe Rodriquez & Friends werden in liebevoll gestalteter Atmosphäre zwischen den alten Möbeln, Bildern und sonstigen Dingen mit Sicherheit wieder mitreißenden Musikgenuss bieten!

Der Laden ist an diesem Tag durchgehend bis Abends geöffnet. So kann man auf einen Streich mehrere Kulturgenüsse in ungewöhnlichem Ambiente miteinander verbinden. Sollte man sich das entgehen lassen?

Am 17. 10 ziehe ich dann mit meinem Atelier weiter nach Pfeffingen.

Was noch so passiert ist

baeckerei-deufel-2Ich durfte in der Margrethausener Bäckerei Deufel fotografieren. Sie begeisterte mich mit ihren Maschinen aus den 60er Jahren und weil sie auf solch kleinem Raum nach wie vor funktioniert! Ihre leckeren Kuchen habe ich schon im Bergcafé in Burgfelden genossen! Im dazugehörigen Lebensmittelladen kaufe ich derzeit regelmäßig ein.

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Gleich neben dem „Juwel“ steht ein ca. 400 jähriges Fachwerkhaus, das früher eine Mühle war und später das Wohnhaus des Begründers der Margret-Werke. Das Juwel war das erste Fabrikgebäude der Margret-Werke, bevor die Fabrikation in ein größeres Gebäude Richtung Ortsausgang zog, das mittlerweile Weisshaupt Logistik gehört, und bevor das heutige Juwel nur noch als Bürogebäude diente. Den Eingangsbereich der heutigen Weisshaupt Logistik habe ich in einem Gemälde festgehalten.

albstadt-alte-muehle-turbineIm Keller des alten Mühlhauses befinden sich zwischen ein paar alten Autoreifen schwarz und schwer noch die Reste der alten Turbine, die dem ersten Standort der Margret-Werke den Strom lieferte. Der heutige Hausbesitzer ließ sie mich fotografieren und lieh mir die Konstruktionspläne von 1916, damit ich sie einscannen konnte. Die Pläne und Fotos sollen Grundlage von Arbeiten sein, die ich zu dieser Turbine machen möchte.

Ich durfte ein Team vom „Juwel“ zur Entrümpelung einer Albstädter Künstlerwohnung begleiten. Die Künstlerin ist gestorben. Ihr Atelier mit einem großen Arbeitstisch und Unmengen an verschiedenen Papieren, Zeitschriften, Fotos, Skizzen, teils durcheinandergeworfen, teils in Mappen, Kartonagen und Schubladen geordnet. Ich dachte: Das musst Du retten! Das, was dieser Künstlerin wertvoll war, Quelle der Inspiration, Gedankenstützen, Ideen, das darf doch jetzt nicht einfach auf dem Müll landen! Ihre größeren Arbeiten sind hoffentlich in wertschätzenden Händen gelandet.

Ich weiß nichts über diese Künstlerin, aber dieses Arbeitsmaterial hat auf mich eine sehr bewegende Wirkung. Ich fühle mich ihr verbunden. Zumal sie teilweise ähnliche Interessensgebiete hatte wie ich. Aber auch der Gedanke: Wie wird es einmal meinem Atelier ergehen? Ich finde es sehr schade, dass ich diese Künstlerin nicht kennengelernt habe! Was hätten wir miteinander geredet? Hätten wir etwas miteinander anfangen können? Ich habe die Materialien durchforstet, eine Kiste voll zusammengestellt, und diese Kiste ist nun bei mir. Sie wird nun mir zur Inspiration dienen, die Papiere als Collagematerial. Und wenn ich diese Dinge in die Hand nehme, werde ich an ihre Sammlerin und Schöpferin denken.

albstadt-juwel-zeichnenDas „Juwel“ selbst ist ein wunderbarer Ort, um zu zeichnen. Diese Fülle, all die Stapel, die Variationen ähnlicher Gegenstände, die Kombinationen aus großen und kleinen Formen und das Zusammentreffen verschiedener Zeiten und Geschichten in diesen Dingen, die dort zu Schauen und Kaufen beieinanderstehen. Drei Zeichnungen sind dort entstanden.

Heute hatte ich Besuch im Atelier. Ich zeigte ihnen meine neuen Arbeiten. Ein Herr sagte, dass die Margrethausener sehr stolz seien auf ihr Kloster, deshalb gebe er mir den gutgemeinten Rat, ich solle es unbedingt auch in meiner Arbeit unterbringen. Ich verstehe diesen Stolz! Aber ich möchte den Blick gerne auf die Dinge lenken, die nicht so offensichtlich Grund für Stolz sind. Es gibt viele verschiedene Arten von Schönheit! Mit Sicherheit gibt es schon einige Bilder vom Kloster. Aber hat schonmal jemand den Schützen gemalt? Oder Blumen Stumpp? Ich schätze eher mal nicht. (Wenn doch, fände ich es spannend, diese Bilder einmal zu sehen!)

Materialität und Fragilität

In Margrethausen gibt es ein paar sehr schöne alte Fachwerkhäuser. Ihr Reiz besteht für mich auch in ihrer Unrenoviertheit. Natürlich muss ein Haus immer mal wieder renoviert werden, um in Stand gehalten zu werden. Aber für mich als Künstlerin ist es spannender, wenn ich sehen kann, wie der Zahn der Zeit an diesen Häusern nagt, die Farbe der alten Holzbalken verwittert, der Putz dazwischen bröckelt und notdürftig geflickt wird, mit verschiedenen Materialien, oder mal auch einfach Löcher bleiben. Dann sieht man die Fragilität, die dieser alten Konstruktion innewohnt, die doch eine so lange Zeit schon überdauert hat und auch noch überdauern kann, so man sie denn stehen lässt und pflegt. Ein faszinierendes Paradoxon.

Dieses fand ich schon bei meinem ersten süddeutschen Stadtmal-Projekt, 2013 in Sindelfingen, in einem beeindruckenden großen Fachwerkhaus, bei dem der bröckelnde Putz mittels Lochbändern notdürftig zwischen den Balken festgehalten wurde. Damals schon setzte ich diesen zerbrechlichen Moment um, indem ich bei meinem auf Hartfaser gemalten Bild das Balkenwerk mittels Cutter und Stechbeitel freilegte und Pappstücke dazwischen fügte. Die Lochbänder machte ich aus der silbrigen Innenseite einer Schokokuss-Packung, die ich in sifi-fachwerkhaus-detailStreifen schnitt und auf die Hartfaser-Balken auftackerte. Die Achtlosigkeit in dem gleichzeitigen Erhalten Wollen: noch ein Paradoxon. Pappe und Tackerklammern, für mich das Symbol für Wegwerfmaterialien und Provisorien schlechthin. So ein Haus rührt mich an in seiner Würde und gleichzeitigen Wehrlosigkeit. Das wollte ich darstellen.

Hier in Margrethausen wende ich diese Arbeitsweise nun wieder an, für das Fachwerkhaus schräg gegenüber vom Juwel. Auf den Fotos kann man den Arbeitsprozess verfolgen, mit dem ich die Faszination, die dies Bauwerk auf mich ausübt, ins Bild umsetze. Nur Malen reicht da eben einfach nicht!

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Herzlicher Empfang in Margrethausen

albstadt-atelier-margrethausenAuf meiner ersten Fototour, nachdem ich mich in meinem Atelier eingerichtet hatte, kam ich nicht weit. Aber nur entfernungsmäßig gesehen. Ich konnte gleich schon Kontakte mit Ortsansässigen knüpfen, kam beim Fotografieren mit ihnen ins Gespräch, erzählte, was ich hier mache, wofür die Fotos sind. „Nein, eine Maklerin bin ich nicht, die das Haus verkaufen will, ich bin Künstlerin. Ich male und zeichne nach den Fotos.“ Und albstadt-margrethausen-altes-haus-2ich darf in 2 leere Häuser schauen, ein winziger Laden, noch komplett eingerichtet. Ich bin wieder einmal fasziniert und dankbar für diese Einblicke! Ich werde zum Kaffee albstadt-margrethausen-altes-hauseingeladen, Geschichten werden mir erzählt. Wie früher ein Metzger seine Waren regelmäßig in einem Nebenraum im „Schützen“ angeboten hat z.B., wie man als Kind in dem Lädle für 5 Pfennig Colafläschle oder andere Süßigkeiten bekommen hat, und wie am diesjährigen Fasnet die Narrenzunft „Runkelriabaweible“ ihr 10-jähriges Jubiläum gefeiert hat und der „Schützen“ dafür mal wieder aufgemacht hatte, brechend voll war’s da! Der „Schützen“, der schon lange leersteht, und den ich malen werde.

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Ich bin froh, hier zu sein und freue mich auf weitere Eindrücke!

 

Von Onstmettingen nach Margrethausen

Foto: Niels P. Carstensen
Foto: Niels P. Carstensen

In Onstmettingen war die Industrie wieder sehr präsent, sowohl im Ortsbild, als auch von innen betrachtet bei zwei Fototouren durch eine leerstehende kleine und eine voll im Betrieb stehende große Textilfabrik. Etwa die Hälfte meiner Onstmettinger Atelier-Arbeiten widmet sich diesem Thema, die andere Hälfte zeigt Alltagsecken & Ecken im Wandel. Ein Phänomen, was mir außerdem auffiel, die Stromverteiler-Türmchen mit ihren sternförmig albstadt-stromverteilertuermchenabgehenden Kabeln, hat es nicht in die Umsetzung ins Bild geschafft (gibt’s das anderswo auch so viel? Da muss ich jetzt nochmal drauf achten!). Pleinair war die „Rau-Alb“ oberhalb Onstmettingens eine meiner schönsten Entdeckungen. Mit ihrem mediteranen Flair, dem graugoldenen Gras mit durchschauendem Felsen, den bizarren Formen von Wacholder und Kiefern, ihrem albstadt-silberdistel-rau-albDuft, Grillengezirp und weiten Blick hat sie mich sehr für sich eingenommen. Ich würde sehr gerne einmal 1 – 2 Monate im Sommer nur dort malen.

 

Doch nun geht es erstmal weiter nach Margrethausen, einem kleinen Quartier-Juwel im doppelten Sinne: Durch die fantasievolle Fassadengestaltung auf diesen tollen Gebrauchtwaren-Laden in einer ehemaligen Fabrik aufmerksam geworden, konnte ich nämlich Uwe und Susy Tiebe vom „Juwel“ dafür gewinnen, mir dort einen ihrer Verkaufsräume als temporäres Atelier zur Verfügung zu stellen. Am 17. 9. werde ich meine Arbeit dort beginnen. Ich freue mich sehr auf diesen wieder ganz anders besonderen Ort und danke meinen Quartiergebern schon jetzt herzlich!

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Einladung zum Offenen Atelier!

Zum Abschluss meines Onstmettingen-Aufenthaltes gibt es nun wieder ein offenes Atelier, zu dem ich herzlich einlade: an diesem Samstag, den 10. 9., von 11 – 17 Uhr zeige ich meine neu entstandenen Arbeiten in der ehemaligen Bücherei in Onstmettingen, Nägelestr. 7, beim Rathaus.
Ich freue mich darauf, dabei mit Ihnen/Dir ins Gespräch zu kommen!
Am 12. 9. räume ich dann mein hiesiges Quartier und bin ab Ende der kommenden Woche in Albstadt-Margrethausen zu finden.

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