Kollegiale Inspiration

Ich habe im Laufe meiner Zeit hier immer wieder Albstädter Künstler-KollegInnen in ihren Ateliers besucht. Ich finde es schön zu sehen, was hier vor Ort künstlerisch passiert und finde die Kontakte und den Austausch bereichernd. Es gibt natürlich ganz verschiedene Richtungen und Interessen, und dazu finde ich die Geschichten jedes Einzelnen spannend, wie er seine Kunst lebt/gelebt hat. Ob Autodidakt oder Studierter ist für mich da erstmal zweitrangig, die Arbeit an sich ist wichtig. Und es nötigt mir immer wieder Bewunderung ab, wie Menschen für ihre Kunst brennen und ihren ganz eigenen Weg finden, das auszuleben. Besonders nahe sind mir KünstlerInnen, die wie ich den Ort und seine Umgebung zum Thema haben/hatten. Hier sind ja direkte Anknüpfungspunkte vorhanden. Ich kann schauen, wie macht es der andere, kann mich von ihm inspirieren lassen, meine Sichtweisen erweitern, aber auch technisch Dinge lernen (immer noch, natürlich!).

Heute habe ich Helmut Landenberger besucht, von dem ich ein paar Arbeiten schon kannte. Es war ein sehr schönes Treffen. Ich bewundere seine Arbeiten, sehr viele Alb-Landschaften, wunderbar in den Farben, expressiv, viele Bilder mit einer Lockerheit und Freiheit, wo ich mir sehr gerne etwas abgucken möchte.

albstadt-onstmettingen-pleinair-bilder-haengen-an-der-wand

Ich habe auch gemerkt, dass in meiner Arbeit der Schwerpunkt auch derzeit nicht in der Natur-Landschaft, sondern in der Stadt-Landschaft liegt. Mich hat am Projekt AlbStadtAlb zwar auch der landschaftliche Aspekt gereizt, der ja zu Albstadt gehört, und er macht mir nach wie vor viel Freude. Aber um wirklich in diesen Aspekt eintauchen zu können, müsste ich mich eine Zeit lang einzig darauf konzentrieren. Das geht in der Kürze der Zeit  nicht. Über ein Jahr scheint zwar erstmal lang, aber wenn man 9 Stadtteilen samt auch ihrer Industrie gerecht werden will, ist es plötzlich gar nicht mehr so viel Zeit.

Ich komme ja hauptsächlich aus dem Bereich der Stadt-Landschaft, und meine Sichtweise auf die Stadt war ein wichtiger Grund für das Kunstmuseum Albstadt, das Projekt mit mir zu machen. So habe ich mein Haupt-Augenmerk im Projekt doch auf diesen Aspekt gelegt. Wissend, dass auf diesen von anderen KünstlerInnen bisher viel weniger der Blick gefallen war als auf die umgebende Landschaft.

albstadt-rau-alb-pleiair

Ich genieße es sehr, in die Landschaft zu gehen und dort zu zeichnen/zu malen. Aber das Erarbeiten meiner eigenen Bildsprache steht hier bisher weniger im Mittelpunkt als bei meinen Stadtbildern, wo ich diese Sprache im Laufe der letzten Jahre schon gefunden habe. Wenn ich hier in der Landschaft arbeite, ist das, neben dem Festhaltenwollen von mir Wertvollem, immer wieder auch eine willkommene Abwechslung von der oft sehr anstrengenden Atelier-Arbeit, ein Rauskommen, ein Aufatmen. Das Wetter und die Atmosphäre spüren, in Kontakt mit Menschen kommen. Deshalb arbeite ich draußen eher skizzenhaft, spontan, Impressionen einfangend, und deshalb wähle ich vielleicht hier gern Motive, die einfach schön sind, auch im herkömmlichen Sinne. Bewusst lenke ich meinen Blick zwar auch auf Grenzbereiche von Stadt & Natur, aber das ist pleinair eher die Ausnahme, diese Bilder mache ich dann meist doch wieder im Atelier.

Um auf meine Künstler-KollegInnen zurück zu kommen: Da sehe ich halt dann den Unterschied, wenn jemand sich zeitlebens mit dem Malen der Natur beschäftigt hat und da seine Sprache und seinen Ausdruck drin gefunden hat. Da werde ich dann ganz bescheiden und bewundere diese Arbeiten und denke: irgendwann will ich mich damit auch unbedingt noch mehr beschäftigen und mehr draus machen als ich es momentan tue. Und dann hoffe ich, das ich auch einigermaßen gesunde 90 Jahre alt werden darf, weil ich noch so viele Ideen habe, was ich alles noch künstlerisch machen möchte.

 

Ein Jahr AlbStadtAlb-Projekt

Auf meinem Morgenspaziergang entdeckte ich heute die ersten Herbstzeitlosen – nun ist also Herbst… und damit jährt sich (ganz genau am 15. September) der offizielle Start meines Albstadt-Projektes.

Albstadt-Herbstzeitlose

Meine ersten Pleinair-Landschaftsskizzen (außer jener fast schon legendären Zeichnung vom Parkdeck des AC-Kaufparks, die ich schon im Juni 2015, bei meinem ersten Wochenend-Aufenthalt in Tailfingen mit meinem VW-Bus, fertigte, und die unerwartet zum kleinen Politikum wurde, weil es Menschen gab, die darin nicht ein außergewöhnliche Landschaftsbild sahen, sondern eine unerwünschte Beachtung eines umstrittenen Bau-Objektes – finde ich sehr spannend, was Bilder so alles bewirken können!) sind Herbst-Landschaften aus der Umgebung von Tailfingen, wo ich damals mein erstes Quartier bezog.

Die Jahreszeiten auf der Alb habe ich durch das kontinuierliche Pleinair (also: unter freiem Himmel) Arbeiten in diesem Jahr besonders intensiv erlebt. Wachsen und Vergehen, Sähen & Ernten, Wind, Wetter, Sonne, Gewitter, Regen, Schnee, Landmaschinen, Begegnungen mit SpaziergängerInnen. Das Alles hat mich begleitet und schafft auch einmal mehr ein Gefühl der Verbundenheit mit diesem Flecken Erde.

So wie auch die Arbeit im Ort selber (auch hier sind übrigens die Jahreszeiten in meinen Arbeiten sichtbar), das Erforschen und Kennenlernen, das Leben dort mit all seinen alltäglichen Aufgaben, die Kontakte mit den Menschen im Ort, das Entstehen von Freundschaften, und nicht zuletzt natürlich das Umsetzen des Gesehenen in meine Bilder – ich sage immer „Ich ermale mir den Ort“ – eine Verbindung schaffen. Der Ort ist am Ende für mich nicht mehr der Ort, der er anfangs war. Er ist vertraut geworden, ans Herz gewachsen in Vielem, ein Stück auch mein Ort geworden. Das finde ich sehr schön.

Bis zum Ende des Jahres warten noch drei Albstädter Ortsteile nach Onstmettingen darauf, von mir entdeckt und ermalt zu werden, ich freue mich sehr darauf! Diese Arbeit über ein Jahr an einem Projekt, das doch so vielseitig durch die Ortswechsel ist, ist etwas sehr Schönes für mich. Einerseits die Kontinuität und die Sicherheit, an etwas zu arbeiten, was später präsentiert wird (da achte ich allgemein drauf, dass ich möglichst solche Projekte mache), und andererseits das Abenteuer, sich immer wieder auf Neues einzulassen. Wie wunderbar sich auch immer die Quartiere ergeben haben! Die ersten über den Kulturstammtisch im Juli 2015, eins über ein Vereinstreffen des Tal-Gang-Art e.V, eins über die Ausstellungseröffnung in der Produzentengalerie der Alten Kanzlei, über ein Offenes Atelier, über persönliche oder vermittelte Kontakte zu AlbstädterInnen. Jedem Interessierten, den ich traf, erzählte ich von meiner Quartiersuche. Dadurch ergaben sich alle Quartiere nach und nach. Ich finde es toll, dass es Menschen gibt, die so offen sind, mich (teilweise ja sogar in ihr privates Umfeld) aufzunehmen, ohne mich erstmal zu kennen. Am Anfang war sicherlich die Kooperation mit dem Kunstmuseum als Referenz hilfreich, später hatte sich meine Vertrauenswürdigkeit ja dann schon bewiesen. Und durch die Quartiere entstanden wiederum schöne Kontakte, die auch andauern, bereichernd nicht nur für mich, so wurde mir versichert, das freut mich natürlich. Also, ich kann mich nur einmal mehr ganz herzlich bei meinen QuartiergeberInnen bedanken! Ohne sie würde das Projekt nicht funktionieren. Für Lautlingen, den letzten Stadtteil, wo ich dann Mitte November bis Mitte Dezember sein möchte, wird sich auch noch ein Quartier finden, da bin ich mir ganz sicher. JedeR QuartiergeberIn erhält übrigens am Ende des Projektes ein Blatt einer für sie exklusiv gefertigten Sonderedition: Eine Druckgraphik, auf der Bilder aller Räumlichkeiten, in denen ich während meines Projektes Herberge fand, vereinigt sind. Eine Graphik, die also auf diese Weise alle Albstädter Stadtteile miteinander verbindet.

Dunkle Wolke

Ich war finster gestimmt. Ich hatte den ganzen Tag an dem großen Bild eines Firmen-Eingangs gearbeitet, mit viel Freude, und irgendwann kippte es. Ich merkte, es haut nicht mehr hin, ich krieg’s nicht hin, wie ich will, und das Schlimmste: das Bild sagt mir nichts mehr, und das, obschon mir das Motiv am Herzen lag und das Bild viele gute Stellen hatte. Pause machen war angesagt. Die Pause nützte aber gar nichts. Meine Stimmung wurde richtig schlecht, ich war frustriert, hatte Angst, nie wieder ein gutes Bild malen zu können, die ganze Palette von negativen Gefühlen, die sich manchmal einstellt, wenn es künstlerisch nicht so läuft. Ich war total schlecht gelaunt und wütend auf mich und die Welt.

Die Band Element Of Crime, die ich sehr verehre, hat es mit dem Lied „Dunkle Wolke“ treffend beschrieben. Überhaupt entdecke ich viel Verwandtes zwischen ihren Stücken und meinen Bildern. Der Blick auf Nebensächliches und Alltägliches, mitunter Skurriles. Das Melancholische und wunderbar Poetische in Musik und Text der Band, es berührt mich sehr und inspiriert mich auch immer wieder.

Zum Glück habe ich meinen Hund, der seinen Abendspaziergang brauchte. Völlig stinkig und unansprechbar – ich dachte: super, soviel zum erwünschten Kontakt zu den Menschen vor Ort, im Moment fühle ich mich dazu überhaupt nicht in der Lage – fuhr ich also mit meinem 2-Gang-Klapprad aus den 70ern, das ich hierher mitgebracht habe, los. Mein Hund liebt das Rennen, das passt also, und wir fuhren einen neuen Weg aus dem Ort heraus und landeten in einem kühlen, lichtdurchfluteten Wald, fuhren an schattigen Wiesentälern vorbei, fuhren immer weiter, und nach und nach löste sich die Beklemmung, wich einem Gefühl der Ruhe und der Dankbarkeit für diese Schönheit um mich herum. Es war gut. Dankbarkeit auch, aus dieser dunklen Wolke wieder aufzutauchen.

Albstadt-Baum-im-Licht Albstadt-Atelier-Onstmettingen

 

 

 

 

Wieder in meinem Quartier hatte ich plötzlich Lust, an meinem Bild noch die eine oder andere Veränderung vorzunehmen. Ich dachte: Das machst Du jetzt einfach, und plötzlich war da gar kein Problem mehr, es waren eigentlich nur ein paar Kleinigkeiten, die dazu führten, dass ich wieder einig wurde mit meinem Bild. Es war wieder da, wieder meins. Ich war sehr froh und erleichtert.

Am nächsten Tag widmete ich mich dem Thema Innenräume, im kleinen Format. Ich war glücklich, 2 gute Arbeiten zu schaffen, das dritte ging daneben. Zu sorgfältig gezeichnet, zu naturalistisch, dabei bot das Motiv sich geradezu an zur Abstraktion. Es schwebte mir so greifbar vor Augen! OK, ich habe ja meine beiden guten, konnte ich denken, morgen geht’s weiter.

Nach 4 Anläufen habe ich es dann geschafft, mein Bild geschaffen. Mein Bild muss es sein, damit ich zufrieden bin. Am Ende ist es ein Gefühl von Liebe zu meinem Bild. Dann ist es richtig und fertig. Eigentlich klar, dass der Entstehungsprozess so auch mit Schmerzen verbunden sein muss.

Die Moral: Alles braucht seine Zeit. Abstürzen, Scheitern und wieder Aufstehn´/Weitermachen gehört zum künstlerischen Prozess, genauso wie Pausen/Abstand vom Schaffen. Und die Band Element Of Crime, sie ist mir sehr nah. Sie sei wärmstens weiterempfohlen.

Ich bin jetzt auch wieder ansprechbar!

(Fotos: Ava Smitmans, „Baum im Licht“ und „Atelier in Onstmettingen“)

Abgründigkeit, Vordergründigkeit und Vielschichtigkeit

Das Gespräch mit dem alten Mann und seinen Schafen und Ziegen geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Ich habe was gegen Rassisten. Aber hätte ich vielleicht doch noch mehr bohren sollen? Es wäre die Gelegenheit gewesen, nachforschen, wie so einer tickt. Hätte es was geändert? Mir war so schon schlecht.

Aber es taucht in mir, nicht zum ersten Mal, die Frage auf, wie sieht das eigentlich mit meinen Bildern aus? In den Häusern, die ich darstelle, wohnen oder wohnten Menschen. Was weiß ich letzten Endes über sie?

Albstadt-verlassenes-Haus-2

Ich sehe nur die Außenhaut. Sie ist natürlich voller menschlicher Spuren. Nur dann wähle ich ein Motiv ja überhaupt aus. Wenn da alles glatt ist, ist es uninteressant für mich. Die Spuren erzählen mir einiges über die, die drin wohn(t)en oder arbeite(te)n. Satellitenschüsseln, Schilder, Gardinen, Dinge in den Fenstern, Dinge, die um’s Haus herumstehen, Fassadengestaltung, Abnutzungserscheinungen, lauter Kleinigkeiten, die dem Haus seine Eigenheit, seinen Charakter geben, den Mensch dahinter erahnen lassen. Betonung auf „Erahnen“! Natürlich kann ich auch völlig daneben liegen. Ich gucke ja aus meiner Perspektive. Ich interpretiere, mache mir ein eigenes Bild.

Albstadt-verlassene-Häuser

Wenn ich in ein Haus gehe (meist unbewohnt), wird die Zahl der Spuren oft größer. Innen gibt sich der Mensch mehr preis als außen. Jedoch wieviel verraten diese Spuren wirklich? Sie lassen ein bisschen in den Alltag blicken, ein bisschen in die Zeit und ihre Moden und Erzeugnisse, ein bisschen in die Vorlieben, was der/die BewohnerIn schön fand, womit er/sie sich beschäftigt hat. Ich mag die kleinen Details, die darauf Rückschlüsse ziehen lassen. Manche Dinge sehe ich öfter, manche sind einmalig & eigen.

Aus vielen solchen Haus-Begegnungen bilden sich für mich nach und nach Bilder der Zeit und der Gesellschaft, menschlicher Bedürfnisse, menschlichen Befindens. Gegenstände und Räume können zu Metaphern werden. Meine Darstellungen vielleicht zu Spiegeln.

Aber letztendlich weiß ich nicht wirklich, was in den Räumen passiert (ist). Es können Abgründe hinter den Mauern und Fassaden und Dingen lauern, die ich male, und ich weiß es nicht. Manchmal denke ich daran. Frage mich, ob ich das in meinen Bildern mehr thematisieren sollte.

Bisher tue ich das nicht. Meine Bilder spielen eher mit dem Geheimnis, mit verschiedenen Ebenen, Zwiespältigkeiten. Man soll beide Möglichkeiten darin sehen können, sozusagen die zum Guten und die zum Schlechten, auch beides nebeneinander. Man soll Fragen stellen können. Die Bilder sollen Projektionsflächen bieten.

Albstadt-verlassene-Räume

Man kann beispielsweise berührt sein von der Mühe, die sich Menschen geben, ihre Umgebung zu gestalten, die oft voller Widrigkeiten steckt. Man kann die Traurigkeit verlassener Gebäude spüren, das Abgeschriebensein, die vergangene Hoffnung, man kann das auch als ein Sinnbild für menschlichen Umgang miteinander sehen. Man kann sich auch fragen, was passiert hinter den Fenstern, hinter den geschlossenen Rollläden, oder was ist passiert: Krankheit, Gewalt, Liebe, Fürsorge, Hoffnung, Freude, Leid, es kann ja alles sein.

Das sind meine Fragestellungen, die immer mitspielen in meiner Arbeit, die mich auch antreiben. Außer formalen Aspekten wie Formgebungen, Farben, Komposition, Spannung im Material etc.., was auch unbedingt dazugehört.

Vielleicht widme ich mich trotzdem einmal in einem Projekt dem Thema der Abgründigkeit, ganz explizit. Das reizt mich schon lange. Warum? Weil das Leben immer wieder auch so ist. Weil ich ausloten will, wie die Bandbreite ist, bevor es ins Plakative geht. Es darf auch schockieren, so wie das Leben auch schockieren kann, aber auf eine eher hintergründige Art. Einige Ideen habe ich da schon. Das lässt sich aber nicht mit einem Stadtmalprojekt vereinen, das muss dann ein völlig anderes Projekt sein.

Begegnungen in Onstmettingen

Albstadt-Briefkasten

Ins Gespräch gekommen mit dem Nachbarn einer kleinen leerstehenden Strickfabrik. Er hat einen Schlüssel, aber erst muss ich mit dem Besitzer sprechen. Ich habe diesem auf den AB gesprochen, nun warte ich hoffnungsvoll auf seinen Rückruf und sein OK, dass ich drinnen Fotos machen darf!

Ein sizilianischer Obstverkäufer wundert sich, dass ich seine gestapelten Kisten, Paletten und Schilder fotografiere. Venedig oder Pisa, das sei gut für die Kunst, nicht das hier. Sein kleiner Sohn sagt, er will gerne in meine Ausstellung kommen, wenn er dann da ist.

Albstadt-Spiegelung-Gitter Albstadt-Tür-kaputt

Beim Spaziergang mit meinem Hund treffe ich auf einen alten Mann, der seine Schafe und Ziegen füttert. Ausgesprochen schöne Ziegen, finde ich. Die jungen Schafböcke sind heiß. Er frage sich, sagt der Mann, wieso der da oben bei den Tieren Grenzen gesetzt hat, dass sie sich kreuzen, nicht aber beim Menschen. Ich bin schockiert. Meine Entgegnung, dass alle Menschen Menschen seien, Schafe und Ziegen hingegen verschiedene Arten, will er nicht gelten lassen. Ich sehe keinen Sinn darin, das Gespräch fortzusetzen. Später fällt mir dazu die Begegnung mit einer alten Frau in Burgfelden ein: Wir waren auf die Auswanderung von Ortsbewohnern nach Amerika zu sprechen gekommen. „Damals sind sie von hier ausgewandert, und heute kommen die Flüchtlinge zu uns. Das ist doch nur gerecht“, hatte sie gesagt. Soviel zum Thema Verknöcherung, denke ich, man muss nicht verknöchert werden, und manche sind es wahrscheinlich ihr Leben lang.

Albstadt-Haus-grünZwei Männer, die Deutsch nicht als Muttersprache sprechen, sind dabei, ein beiges Onstmettinger Eternit-Haus leuchtend gelbgrün zu streichen. Ich sage ihnen, dass mir das gut gefällt, so schön bunt. „Echt?“ fragen sie und freuen sich sehr.

Am nächsten Tag male ich mein erstes Onstmettinger Bild. Meine Fenster sind weit geöffnet, es ist fast wie draußen sein. Die Sonne scheint, Autos fahren vorbei, alte knatternde Schlepper, moderne große Traktoren, Busse, Mopeds. Ich höre Gesprächsfetzen vorbeilaufender Menschen. Ich genieße die Lebendigkeit um mein Quartier herum.

Abends kommt der erhoffte Anruf: Ich darf mit dem Besitzer in seine Fabrik! Juchuu!

Albstadt-Textil

In Onstmettingen angekommen

Quartier-Onstmettingen-außen

Nach einer Pause in Tübingen, wo ich einen 5-tägigen Skizzierkurs gegeben und verschiedene Dinge geregelt habe, habe ich mich nun in meinem 6. Albstädter Ortsteil, Onstmettingen, eingerichtet.

Quartier-OnstmettingenDie ehemalige Bücherei ist bisher mein größter Raum, toll zum Arbeiten, aber er war vollkommen leer, ich habe ihm nun mit meinen Dingen etwas Struktur & eine ganz gemütliche Atmosphäre gegeben.

Ich genieße die Aufregung, in einem neuen Ort zu sein, wenn Alles noch unbekannt und unerforscht ist! Einige Fotos habe ich hier letzten Sommer schon von Industrie und Gewerbe entlang der Schmiecha gemacht und auf Durchfahrten Interessantes erblickt. Aber nun werde ich tiefer eintauchen, mir die hiesige Infrastruktur erschließen und mit dem Fotoapparat ausgedehnt auf Entdeckungstour gehen, darauf freue ich mich sehr!

Besuch ist herzlich willkommen! Der zentral gegenüber dem Rathaus gelegene Raum war ja auch früher schon für die Öffentlichkeit bestimmt, vielleicht macht es das etwas leichter eventuelle Hemmschwellen zu überwinden? Schauen Sie einfach vorbei, oder, wenn Sie sichergehen wollen mich anzutreffen, rufen Sie mich vorher an: 0176-630 733 15. Ich freue mich besonders auch auf Gespräche mit OnstmettingerInnen!

Vielen Dank an die Albstädter Stadtverwaltung und die as wohnbau gmbh für das Zurverfügungstellen der Räumlichkeit!

Quartier-Onstmettingen-nachts

Offenes Atelier in Burgfelden

Nun sind die 4 Wochen in Albstadt-Burgfelden schon wieder fast vorbei. Zum Abschluss meines Arbeitsaufenthaltes dort, lade ich herzlich zum Offenen Atelier ein!

Am Samstag, den 23. 7., zwischen 14 und 18 Uhr kann man meine neuen Arbeiten in meinem temporären Atelier im Haus “Zum Bergcafé“ betrachten und mit mir darüber ins Gespräch kommen. Eva Wedel und ich freuen uns auf Ihren Besuch!

Am 25. 7. breche ich meine Zelte dort ab.

Ab Mitte August geht es dann in Onstmettingen weiter, wo ich in der ehemaligen Bücherei gastieren darf.

Überlegungen zum Landschaftsbild

Ebingen-altes-Haus-2Da das Projekt AlbStadtAlb in Kooperation mit dem Kunstmuseum Albstadt läuft, tausche ich mich natürlich mit Jeannette Brabenetz und Dr. Mertens immer wieder darüber aus. Vor einiger Zeit ging es um die Frage, ob meine Beschäftigung mit Innenräumen Teil des Sujets „Landschaftsbild der Schwäbischen Alb“, das ja ein Schwerpunkt des Museums ist, sein könne oder nicht. Ohne der späteren Aufgabe des Kuratierens vorgreifen zu wollen, habe ich mir hierzu ein paar Gedanken gemacht. Solche Reflektionen sind für mich auch Teil der künstlerischen Arbeit:

Was gehört zu einem Landschaftsbild?

Wiesen, Felder, Berge, Bäume, Himmel, Wolken, Gewässer, Wald, Jahreszeiten.

Tiere. Häuser. Menschen, die herumlaufen oder stehen und schauen, Picknick machen, auf Pferdewagen fahren, ernten, sähen.

Hirten auf dem Felde, Krippenlandschaft, Flucht nach Ägypten. Daphne wird zum Baum. Felsen, ein röhrender Hirsch? Wellen, ein Schiff in Seenot? Highways, Motels, Autos, Schilder, endlose Weite, Müll, eine rostige Zapfsäule.

Es gibt Körperlandschaften, wo die Kurven und Höhlen des menschlichen Körpers Berge und Täler bilden. Märchenlandschaften. Wo ein Pilz ein Haus ist.

Man spricht mitunter von Seelenlandschaften. Diese könnte man mit Farben darstellen, mit offenen oder geschlossenen Formen, mit verschlungenen oder geraden Linien, erregten Pinselstrichen, starken Helldunkel-Kontrasten, grauen Nebelschleiern…

Textilfabrik-FensterManche stellen Landschaften mit den Dingen dar, die in ihnen vorkommen, wie z.B. Daniel Bräg mit Äpfeln und Zweigen in Kühlschränken die Streuobstwiesen Süddeutschlands (finde ich klasse!). Landschaften aus Müll oder gehäkelt. Ein leerer Rahmen in die Landschaft gestellt, durch den man verschiedene Landschaftsausschnitte betrachten kann.

In Landschaften gibt es Höhlen. Sie sind verborgen in der Erde oder im Fels. Ist ein Bild von einer Höhle ein Landschaftsbild? Ein unterirdischer See? Unterwasserlandschaften. Was ist mit den Gängen von Wühlmäusen, Kohleminen, Schnitten durch Erdschichten?

Seit der Moderne gibt es natürlich das Sujet der Stadtlandschaft. Hier stehen Gebäude und Straßen im Mittelpunkt, mit Allem, was dazugehört.

Tailfingen-No-Eis Tailfingen-Eiscafe

Was ist hinter den Mauern der Häuser? Was ist hinter einer offenen Tür, hinter einem geschlossenen Fenster? Hört die Landschaft dort auf? Oder geht sie nicht vielmehr auf einer anderen Ebene weiter?

Der Tisch draußen im Straßencafé, der Tisch drinnen in der Küche. Der Teller auf dem Tisch. Die Satellitenschüssel an der Hauswand. Das Kabel geht durch die Wand ins Innere zum Fernseher. Der Vorhang, der aus dem Fenster weht.

Eine Mauer, eine Haut, die innen und außen zugleich trennt und verbindet. Kann ich ein Haus ohne Innen denken? Oder ohne Außen? Macht nicht jede Mauer neugierig auf das Dahinter, jedes Fenster neugierig auf einen Einblick? Oder Ausblick?

Bei Abrissen tritt eine Verbindung von Innen und Außen (schmerzhaft) klar zu Tage. Das Interieur zeigt sich ungeschützt, verletzlich.

Albstadt-SchlafzimmerSeit ich mich mit dem Thema Stadtraum beschäftige, habe ich immer auch ins Innere geschaut. Durch Schaufenster, durch staubige Fenster leerstehender Häuser, manchmal durch offene Türen oder Löcher in der Mauer, durch die ich dann eingetreten bin, um die andere Seite zu erforschen. Das Innere der Stadtlandschaft. Die Eingeweide des röhrenden Hirsches. Das Kerngehäuse des Apfels.

Immer auf der Suche bleiben

Künstlerische Arbeit ist immer wieder von Auf und Ab bestimmt. Bei mir auch.

Ich bin mal wieder festgesteckt, festgefahren gewesen in meinem Atelier.

Zu viele hemmende Gedanken: Wo ist der Rote Faden? Was ist wichtig? Wie werde ich dem Ort gerecht? Seinen BewohnerInnen gar?

Ein großes angefangenes Landschaftsbild genervt weggestellt. Für das Bild vom Dorfladen endlich einen spannenden Blickwinkel gefunden, es in mühsamer Arbeit beendet, aber viel zu brav, fand ich.

Burgfelden-Dorfladen-1-Ausschnitt Burgfelden-Dorfladen-2-Ausschnitt

Zwei Sachen halfen mir weiter: Das Gespräch mit meiner Schwester, die mich besucht hat. Sie ist auch Künstlerin, und wir können wunderbar miteinander reden. „Du warst schon freier in deiner Arbeit“, sagte sie. Und ich wusste, das stimmt. Wir sprachen über Erwartungen von außen und Zwänge, die wir uns selber auferlegen, die uns blockieren. Sie machte mir Mut, diese Blockaden zu durchbrechen. Das andere war ein Projekt, an dem ich mich beteilige: Künstlerische Dialoge zwischen Menschen mit und ohne geistige Behinderung. Die Kunst von Menschen mit geistigen Behinderungen finde ich immer wieder total spannend und bereichernd! Das Bild einer Frau, das ich mir für meinen Dialog ausgesucht habe, stellt Häuser dar, auf eine wunderbar schlichte Weise gemalt: Hauswände, Fenster, Dächer und der Hintergrund sind einfache, aber lebendig gemalte farbige Flächen, die gleichberechtigt nebeneinander stehen. Von diesem Bild inspiriert, habe ich den Dorfladen samt Zaun ein zweites Mal gemalt, es hat großen Spaß gemacht! Ohne zu denken, wie passt das z.B. zu den anderen schon gemalten Bildern, einfach machen, genießerisch, kindlich, frei.

Das Bild fällt aus dem Rahmen neben meinen bisherigen Albstadt-Bildern, aber ich mag es gerne.

Die Frage ist ja auch: was ist der Rahmen? Wie eng stecke ich ihn? Will ich mich einengen lassen? Und es ist nicht so, dass ich noch nie in dieser Richtung gemalt hätte. Auf der Suche nach Abstraktionsmöglichkeiten haben mich z.B. schon sehr lange immer wieder auch Kinderbilder inspiriert. Aber ich vergesse es auch immer wieder, verrenne mich in alten Naturalismus- oder sonstigen Mustern. Und dann fehlt die Traute für einen radikalen Bruch, zumal mitten in einem Projekt: „ich kann doch nicht plötzlich…“ Doch, ich muss, sonst bleibe ich stehen!

Auch das nächste Bild, das viel kompliziertere Motiv eines „Kreiselheiers“ in einem Hallentor, habe ich sehr enthusiastisch gemalt, mit aus obiger Erfahrung schöpfend. Endlich ist sie wieder da, die Schaffensfreude, die ich vermisst hatte! Ich finde das Bild gelungen, lebendig. Doch schon das darauffolgende Bild, das ich mir vornehme, funktioniert nicht, wie ich gehofft hatte. Ein 70er-Jahre Einfamilienhaus, dunkelbraun-weiß, mit einem bunten Sonnenschirm auf der Terrasse. Das Bild, das ich davon male, wirkt wie eine 70er Jahre-Illustration. Das passt zwar, ist aber irgendwie nicht meins. Erstmal wieder Frust.

Nun heißt es: weiter suchen. Auf Eingebungen hoffen. Anderes Motiv? Welchen Blick auf das Motiv wähle ich? Und wie setze ich es um? Jede Ecke, jedes Gebäude hat seine eigene Ausstrahlung, die auf mich wirkt. Wie ich das eine male, kann ich das andere nicht unbedingt malen. Ich werde ihm sonst vielleicht nicht gerecht.

Wo der Rote Faden ist, merke ich immer wieder, sollte ich nicht zu früh zu fest legen. Es grenzt aus, bremst meinen Ideenfluss. Weniger Denken, mehr nach dem Herz gehen, wohin zieht es mich, ist die Devise. Der Rote Faden zeigt sich irgendwann von selber.

Auch zuviel Ehrfurcht, z.B. vor Idyllen, kann hemmend wirken. Ich brauche für meine Arbeit Reibungen und Brüche. Es ist deshalb gut, länger an einem Ort zu sein, um seinen Alltag kennenzulernen. Denn jeder Ort hat sie, diese gewissen Stellen, die mich interessieren. Auch Burgfelden. Auch wenn man sie dort vielleicht mehr suchen, genauer hinschauen muss. Und sich mehr trauen muss, sie ins Bild zu setzen. Sie sind ja nichts Schlechtes, sie sind das Leben, sie gehören dazu. Das will ich ja zeigen. Wenn sich ein Roten Faden in den letzten Jahren herauskristallisiert hat, dann ist es vielleicht der, dass die Botschaft meiner Bilder ihre Alltäglichkeit ist.

Ich habe heute morgen den Schatten eines Baumes an einem Schuppen gesehen. Ein Motiv, das in seiner Schlichtheit schön ist. Vielleicht werde ich ihn als nächstes malen? Wie? Das werde ich sehen, wenn ich es tue.

Draußen Skizzieren

Albstadt-Burgfelden-Gewitterstimmung

Gestern habe ich den ganzen Tag draußen skizziert.

Morgens früh die alten Kiefern am Böllat. Mein täglicher Spaziergang zum Böllat ist fast so schön wie der Gang zum Meer, als ich noch im Norden gewohnt habe. Auch so eine Weite, so eine Ruhe, dabei ein Gefühl von Ursprünglichkeit und Ewigkeit, auch wenn unten Orte und Straßen zu sehen sind. Das Rauschen des Windes in den Kiefern erinnert mich an das Rauschen des Meeres.

Klassische Landschaftsmotive:

Ein schattiger Weg mit Lichtflecken mit Rötel gezeichnet.

Eine Hommage an Fritz Wedel, von dem ein sehr schönes Ölbild in meinem derzeitigen Schlafzimmer hängt: ich male mit Ölkreide den gleichen Blickwinkel links vom Böllat geschaut.

Eine Reihe alter Apfelbäume mit Schildchen und Holzstangen auf frisch gemähter Wiese.

Mein gestriges Lieblingsmotiv: eine Reihe alter, runder Heuballen, versteckt zwischen Gebüsch. Nicht ganz so klassisch. Ich freue mich an den dunklen, runden Formen und dem helldunkelflirrenden Grün drum herum.

Albstadt-Burgfelden-Im-Atelier-2
Skizzensammlung im Atelier (oben an der Wand ein Bild von Hans Dieter Wedel)

Wie eine Mahnung dann noch ein kaputter, in den Himmel ragender Zaun am Feldrand.

Mehrere Begegnungen und Gespräche mit SpaziergängerInnen aus dem Ort. Eine Wiederbegegnung mit einer Frau aus Tailfingen.

Beim späten Abendspaziergang habe ich keine Malsachen dabei. Die untergehende Sonne zaubert Gold zwischen das Laub der Bäume, dass ich es kaum glauben kann! Ich stehe da, zähle die Farben auf und wohin sie kommen, und male es aus der Erinnerung im Atelier.

Heute morgen um 6:00 zieht es mich wieder hinaus: auf den Wiesen liegt das gemähte Heu in langen Linien. Ich liebe es, wie diese Linien die Kurven der Landschaft nachziehen und bereichern. Der Jugendstil, von dem ich sehr viel halte, ist plötzlich ganz nah.